Neustadts Fraktionsvorsitzende äußern sich im OP-lnterview zu Vorhaben. Wünschen und den Mitstreitern
Vor der Wahl knallt es ein bisschen: Geht es in der Stadtverordnetenversammlung zumeist gemäßigt zu, so teilen zumindest die Vorsitzenden von CDU und SPD im Wahlkampf aus.
von Florian Lerchbacher
Neustadt. Auch wenn die meisten Abstimmungen in der Stadtverordnetenversammlung einstimmig ausgehen: Im Kampf um Wählerstimmen geht’s rund. Ist ja auch logisch, denn die CDU (49,9 Prozent, 12 Sitze) hat wieder die absolute Mehrheit als Ziel, während die SPD ihr gutes Ergebnis der Wahl vor fünf Jahren (42 Prozent, 11 Sitze) weiter verbessern möchte. Und auch die FWG (8,1 Prozent) dürfte sich in ihrer Position als potenzielles Zünglein an der Waage wohl fühlen – sie hätte mit ihren zwei Stimmen Kampfabstimmungen jederzeit kippen können. Wobei nicht vergessen werden darf, dass die Fraktion seit der Wahl im Jahr 2011 eine Zählgemeinschaft mit der CDU bildet.
Große Sorgenkinder gibt es aufgrund der verbesserten finanziellen Lage der Kommune und den Plänen für das Haus der Begegnung und das Freibad aktuell nicht. Umso interessanter ist daher, welche Themen die Fraktionen angehen beziehungsweise anstoßen wollen – und welche Wünsche sie rund um die Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge haben. Gegenüber dieser Zeitung bezogen die Fraktionsvorsitzenden von CDU, SPD und FWG Stellung.
OP: Die „Sorgenkinder“ Haus der Begegnung und Freibad will die Stadt angehen. Wo sehen Sie noch Handlungsbedarf um Neustadt lebenswerter zu machen?
Franz-W. Michels (CDU): Wir wollen eine attraktive Wohnstadt, in der Jung und Alt gerne leben. Das Betreuungsangebot für Kinder soll weiterentwickelt und bedarfsgerechte Informations- und Hilfsangebote für Senioren geschaffen werden.
Junge Familien sollen eine Heimat in Neustadt finden. Durch die Abrundung vorhandener Baugebiete kann Bauland für sie entstehen. Es gilt, die kommunale Infrastruktur zu erhalten. Die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze durch die Ansiedlung von Betrieben dürfen wir ebenso nicht aus den Augen verlieren wie ein Konzept für die Innenstadt.
Hans-Gerhard Gatzweiler (SPD): Das Programm Soziale Stadt ist nicht nur ein Bauprogramm, sondern wir müssen zusammen mit der Bevölkerung erarbeiten, wie wir durch mehr Angebote den Zusammenhalt zwischen Jung und Alt, Einheimischen und Neubürgern, Frauen und Männern verbessern können. Wenn wir es schaffen, erfolgreich einen weiteren Antrag für das Zusatzprogramm „BIWAQ“ für 2018 zu stellen, dann können wir dies auch noch mit Arbeit, Ausbildung und Förderung der Wirtschaft verbinden, all dies macht unsere Stadt noch lebenswerter.
Horst Bätz (FWG): Ein besonderes Augenmerk soll der Förderung des Ortskernes gelten. Ansiedlung weiterer Gewerbe und Schaffung von qualitativ hochwertigem Wohnraum muss unterstützt werden.
Ebenso wichtig für Neustadt ist, dass neben dem Weiterbau der A 49 bis Schwalmstadt auch die übrigen Bauabschnitte mit Anschluss an die A 5 zügig fertig gestellt werden. Nur so kann eine längerfristige Belastung aller Ortsteile vermieden werden.
Eine Stärkung des Sicherheitsgefühls durch verstärkte Polizeipräsenz im Ostkreis und eine bedarfsgerechte Unterstützung der Feuerwehren sind notwendig.
OP: Was kann die Stadt noch für ihre Stadtteile tun?
Franz-W. Michels: Aufnahme in das Dorfentwicklungsprogramm. In Mengsberg und Speckswinkel entstanden beim Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ viele Vorschläge, auch in Momberg gibt es zahlreiche Ideen. Gemeinsam mit den Dorfgemeinschaften wollen wir diese umsetzen.
Die CDU wird Mengsbergs Weg zum Bioenergiedorf ebenso unterstützen wie die Suche nach Nutzungskonzepten für das ehemalige Kindergartengebäude in Momberg.
In Speckswinkel wird ein Baugebiet abgerundet. Gleiches gilt es in den anderen Stadtteilen zu prüfen. Wir werden die Heimat- und Verschönerungsvereine unterstützen.
Hans-Gerhard Gatzweiler: Unsere Stadtteile sind gut aufgestellt und haben ihr eigenes Profil entwickelt. Dennoch ist es notwendig, in das Förderprogramm „Dorfentwicklung“ aufgenommen zu werden.
Wir wollen ausreichend Wohnraum in den Ortsteilen schaffen, vorrangig sollen hierfür die Innenentwicklungspotenziale und Abrundung von Baugebieten genutzt werden.
Wir werden uns dafür einsetzen, dass unsere älteren Mitbürger in den Stadtteilen so lange wie möglich in ihren Wohnungen bleiben können. Der Aufbau einer „Hilfe-Mix-Struktur“ aus nachbarschatlichen, ehrenamtlichen und professionellen Dienstleistern ist notwendig.
Horst Bätz: Die Stadt sollte die Ortsteile entsprechend ihren Vorstellungen unterstützen zum Beispiel bei Aufnahme in das Dorfentwicklungsprogramm beziehungsweise Begleitung von Mengsberg als Bioenergiedorf.
Zudem muss dem demografischen Wandel gerade in den Stadtteilen Rechnung getragen werden. Es gilt alles zu tun, damit junge Familien gerne hier leben und Versorgungsstrukturen zu schaffen, die es unseren Senioren erlauben, möglichst in dem ihnen bekannten Umfeld zu altern.
OP: Was wünschen Sie sich in Bezug auf die in der Ex-Kaserne eingerichtete Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge?
Franz-W. Michels: Wir sind Offenheit bei diesem Thema. Positive Dinge gehören ebenso angesprochen wie Problme. In Neustadt ist man mit Realitätssinn an die Aufgabe hergegangen. Sie wurde auch dank vieler ehrenamtlicher Helfer bisher gut gemeistert. Den eingeschlagenen Weg wollen wir fortsetzen. Fragen und Sorgen der Bürgerschaft müssen ernst genommen werden. Wir setzen darauf, dass das Land Neustadt auch zukünftig zur Seite steht. Von den Flüchtlingen erwarte wir, dass sie sich an unsere Regeln und Gesetze halten.
Hans-Gerhard Gatzweiler: Die Erstaufnahmeeinrichtung hat viel Platz und eine gute Infrastruktur. Dies ist insbesondere für Familien ideal. Demnächst wird das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dort circa 50 Arbeitsplätze schaffen. Schnelle Verfahren sind wichtig, um mit der wirklichen Integration zu beginnen. Neustädter unterstützen aktiv ehrenamtlich, großen Dank dafür! Viele neue Begegnungen werden uns bereichern. Vorbehalte und Ängste gilt es weiter abzubauen, Werte, Regeln und Verhaltensweisen schon in der EAE zu vermitteln.
Horst Bätz: Zu allererst wünschen wir uns von den Menschen, die bei uns Zuflucht suchen, dass sie sich nach unseren Regeln verhalten, damit Integration gelingen kann.
Die Neustädter bitten wir, weiter so offen und engagiert wie bisher diesen Menschen zu begegnen, um ihnen ein Ankommen zu ermöglichen.
Der dritte Wunsch richtet sich an die Kreis- und Landespolitik, zu ihren Aussagen zu stehen und unsere liebenswerte Stadt bei dieser wichtigen Aufgabe mit allen Mittel zu unterstützen.
OP: In Neustadt trafen die Stadtverordneten in der Vergangenheit die meisten richtungsweisenden Entscheidungen einstimmig. Oftmals wurde im Vorfeld
- – nach Kompromissen gesucht, um eine gemeinsame Meinung
- – zu finden. Warum sollten die Bürger ausgerechnet Ihre Partei wählen?
- Franz-W. Michels: Drei gute Gründe sprechen dafür, in Neustadt, Momberg, Mengsberg und Speckswinkel CDU zu wählen: Unsere Kandidaten, unser Programm und Bürgermeister Thomas Groll. Als stärkste Kraft in der Stadtverordnetenversammlung haben wir in den letzten fünf Jahren erfolgreich für unsere Heimatstadt gearbeitet. Anders als die SPD haben wir dabei die Arbeit des Bürgermeisters stets unterstützt. Diese lobt zwar im Wahlkampf viele Projekte, die er vorangebracht hat, „vergisst“ aber, dass sie 2012 und 2013 die Haushaltspläne ablehnte.
Hans-Gerhard Gatzweiler: Die CDU sieht sich als Motor der Entwicklung, aber ohne guten Kraftstoff funktioniert kein Motor. Die SPD hat viele Impulse gegeben, dies braucht ein Motor.
Eine absolute Mehrheit reduziert Diskussionen und die Suche nach guten Lösungen.
Unsere Liste zeichnet sich durch breite fachliche Kompetenz, eine gute Mischung der Geschlechter, ältere und jüngere Kandidaten sowie durch Erfahrung und neuen Elan aus.
Die FWG hatte keine Fragen, Ideen und oftmals keine eigene Meinung.
Horst Bätz: Die Freien Wähler sind unabhängig von parteipolitischem Kalkül. Unser Ziel ist die Umsetzung der Bürgerinteressen hier vor Ort – die lebenswerte Stadt für alle Generationen. Dazu zählen für uns der beitragsfreie Kindergarten und der Ausbau der Kinderbetreuungsmöglichkeiten für Schulkinder. Darüber hinaus gehören Förderung der Jugendarbeit, Schaffung von Bauplätzen für junge Familien und Berücksichtigung der Anliegen unserer Senioren in Bezug auf altersgerechtes Wohnen, barrierefreies Einkäufen und den Erhalt der medizinischen Einrichtungen zu unseren Themen.