„Richtschnur" für Kommunalpolitik

Stadtentwicklungsgutachten ist fertig „Kreuzgasse 7″ ist das „Sorgenkind“ Neustadts
Das Stadtentwicklungsgutachten für Neustadt steht. Nun müssen die Stadtverordneten entscheiden, wie sie mit den zahlreichen Anregungen des Konzeptes umgehen.
von Florian Lerchbacher
Neustadt. Die Altstadt von Neustadt ist schön, daran besteht kein Zweifel. Allerdings wirke sie trotz ihrer bauhistorischen Besonderheiten zum Teil wenig einladend, heißt es im Stadtentwicklungsgutachten, in dem aber auch eine Begründung steht: Bei zahlreichen renovierungsbedürftigen, denkmalgeschützten Gebäuden bestehe die Gefahr, dass sie aufgrund ihres Zustandes bald leer stehen – dies wiederum sei kontraproduktiv bei der Ausrichtung Neustadts als Wohnstadt. Und so ist es kein Wunder, dass ein Rat von Anja Ceulaers (Hessen-Agentur Stadtentwicklungsgesellschaft mbH) und Holger Möller (Büro für Architektur und Stadtentwicklung) lautet, die Innenstadt und die Kernbereiche der Stadtteile zu fördern. Als Motto geben sie entsprechend „Innen- vor Außenentwicklung“ aus.
Für das Gutachten widmeten sie sich unter anderem dem Verkehr, dem Gewerbe und dem Einzelhandel sowie dem Tourismus. Einen Schwerpunkt sehen sie im wachsenden Fahrradtourismus und regen daher an, das Radwegenetz auszubauen beziehungsweise zu verbessern.
Für die lokale Wirtschaft lautet ihr Rat, in Markt- und Bahnhofstraße die Läden zu vergrößern sowie die Grundversorgung mit Lebensmitteln zu verbessern – vor allem unter Berücksichtigung der „immobilen Bevölkerungsteile“. Zudem seien Fachgeschäfte zum Beispiel für Bücher, Spiele oder Sportartikel sinnvoll – eben für Sparten, die nicht im Kaufpark abgedeckt würden. Eine Konkurrenzsituation müsse vermieden werden. Des Weiteren halten Möller und Ceulaers es für sinnvoll, den „vernachlässigten Gastronomiebereich“ in der Altstadt weiterzuentwickeln und attraktive Unterkünfte für Touristen in der Altstadt zu schaffen.
In Sachen Kaserne raten die Experten für Stadtentwicklung, auf eine Ausrichtung als Wohngebiet zu verzichten, da es in den Ortskernen genügend Bauflächen gebe. Außerdem sei eine Wohnlage fernab der Infrastruktur nicht zeitgemäß und daher unattraktiv. Unter anderem schlagen sie die Einrichtung eines Existenzgründerzentrums oder die Förderung von Sport- und Freizeitmöglichkeiten vor. „Bei der Kaserne taten wir uns schwer“, gibt Möller zu.
Konkret regen sie an, ein Hauptaugenmerk auf die ehemaligen landwirtschaftlichen Gebäude und Scheunen in den Ortskernen zu legen, um sie sinnvoll zu nutzen. Vorschläge sind der Umbau zu Ferienhäusern, die Nutzung der Dächer für Solarenergie oder die Nutzung als Stellplatz.
Nachdem für die „Sorgenkinder“ Bayrischer Hof und Deutsches Haus bereits Lösungen gefunden wurden, gelte es nun, auch das wahrscheinlich älteste Haus Neustadts (Kreuzgasse 7) zu retten – und sei es vorerst nur, indem es vor dem Verfall bewahrt werde. Auch für die Ortsteile gibt es Vorschläge: zum Beispiel den Umbau der Scheune in der Hochlandstraße 10 in Mengsberg zur Kulturscheune, eine „Pilgerherberge am Elisabethpfad“ an der Hauptstraße in Momberg sowie die Entwicklung der Ortsmitte von Speckswinkel.
„Das Gutachten ist ein Kursbuch, das wir mit Leben füllen müssen“, gibt Bürgermeister Thomas Groll aus und ergänzt, es solle als „Richtschnur“ für die Kommunalpolitik der kommenden 20 Jahre dienen.