Stadt will Wassermassen umleiten

Veränderungen an Gräben und Durchlässen sollen vor Überschwemmungen schützen
Von Florian Lerchbacher
Neustadt. Nicht nur einmal standen Bewohner der Neustädter Kernstadt knietief im Wasser: Immer mal wieder erwischt Starkregen die Stadt. „Das Heidental mit einem Einzugsbereich von rund 100 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche ist regelmäßig betroffen“, weiß auch Bürgermeister Thomas Groll und ergänzt: „Dies führt nicht zuletzt aufgrund der Topografie dazu, dass Unmengen von Wasser und Schlamm in die Innenstadt gelangen und immer wieder Schäden bei den betroffenen Anliegern verursachen.“

Schon mehrfach setzten sich die Kommunalpolitiker mit möglichen Schutzvorkehrungen auseinander. Am wirksamsten erschien eine Variante mit Regenrückhaltebecken – die allerdings Millionen Euro kosten würde. Die Stadt hatte nach einer Studie der Uni Gießen ein Förderprogramm aufgesetzt, um Veränderungen bei der Bewirtschaftung der Flächen zu erreichen – das aber nur vereinzelt in Anspruch genommen wurde.

Wasserdurchlässe werden vergrößert

Vor etwa einem halben Jahr hatten Bürger, die von Hochwasser betroffen waren, mehr Grünland, breitere und tiefere Gräben, breitere Feldraine, kleinere Schläge und weniger Maisanbau gefordert. Damals hatte Groll herausgestellt, dass die Stadt dies nicht bestimmen könne, sondern mit den Grundeigentümern und den Bewirtschaftern reden müsse. Er warnte dabei aber auch davor, die Landwirte zu den „Schuldigen“ für die Überschwemmungen zu machen.

Im Sommer hatte der Bauhof Gräben geräumt und Banketten umgestaltet. Während eines Gesprächs mit Vertretern des Amtes für Bodenmanagement, des Wasser- und Bodenverbandes Marburger Land und eines Planungsbüros sei dies als positiv gewertet worden, berichtet der Bürgermeister. Nun sollen weitere Schritte, die abgestimmt wurden, folgen: Die Stadt will allem voran Gräben ausbaggern und zwei Wasserdurchlässe vergrößern. Ziel sei es, möglichst viel Wasser bereits oberhalb abzufangen und in Richtung B 454 beziehungsweise Winshäuser Teiche zu leiten, damit möglichst wenig Wasser überhaupt erst ins Heidental fließt. Der Bauhof soll diese Veränderungen im ersten Halbjahr 2021 umsetzen. „Wünschenswert wäre auch die Anlage von Blühstreifen und natürlichen Mulden entlang des Wirtschaftsweges“, betont der Bürgermeister. Der Wasser- und Bodenverband werde dazu ein Konzept erarbeiten. Im Anschluss müsse mit den Landnutzern gesprochen und über Entschädigungen beraten werden. Die Stadt werde nur das umsetzen, was sie auch bezahlen könne, stellt Groll heraus und erklärt, dass seine Hoffnungen auf der Flurbereinigung liegen, denn dann würden die Flächen umstrukturiert: Alle Flächen kommen in einen Pool und werden neu zugeteilt. So sollte es möglich sein, zusätzliche und tiefere Gräben zu schaffen, Hecken anzupflanzen, Mulden anzulegen und veränderte Bewirtschaftungsrichtungen für die Felder zu initiieren.

Jeweils 20 000 Euro hat der Kämmerer für die Jahre 2021 und 2022 für „punktuelle Maßnahmen“ und die Vorbereitung der Planungen für das 2026 anstehende Flurbereinigungsverfahren im Zuge des Weiterbaus der A 49 vorgesehen. „Ich will, dass die Planungen abgeschlossen sind, wenn die Flurbereinigung losgeht. Daher müssen wir schon jetzt für 2026 planen, überlegen, was wir wollen und brauchen, und eine mögliche Förderkulisse aufbauen.“ Er habe beispielsweise ein Förderprogramm des Landes zur Klimaanpassung im Auge.

Im Juni hatte er mit rund einer Million Euro gerechnet, die auf die Stadt in sechs Jahren zukommen könnte. Er rechnete mit einer Fördersumme von 70 Prozent „plus X“. Zum Vergleich: Die „große Lösung“ für Momberger Straße, Lehmkaute, Heidental und Nellenburgstraße mit Regenrückhaltebecken und Schlammfängen würde 4,8 Millionen kosten – rund 1,8 Millionen Euro würden dabei auf das Heidental entfallen.