Der Marburger Verein bsj soll im Auftrag der Stadt die Einrichtung betreiben 22 Plätze geplant
Zunächst stand Bürgermeister Thomas Groll dem Thema Waldkindergarten skeptisch gegenüber. Inzwischen sieht er es als „Abrundung“ des städtischen Angebots.
von Florian Lerchbacher
Neustadt. Einstimmig beauftragten die Stadtverordneten am Dienstagabend den Magistrat, die Voraussetzungen für einen Waldkindergarten zu schaffen – den ersten im Ostkreis. Zwischen Waldschule und Grillhütte sollen künftig 22 Kinder im Alter von drei Jahren in den Genuss von Naturpädagogik kommen. Um die Umsetzung kümmert sich der Marburger Verein zur Förderung bewegungs- und sportorientierter Jugendsozialarbeit (bsj), der in der Stadt unter anderem bereits für die Jugend- und Gemeinwesenarbeit verantwortlich ist.
Dieser kann im Gegensatz zu den Neustädtern auf einen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen: Vor zwölf Jahren begann der Verein, die Natur- und Waldpädagogik in Kindergärten zu forcieren und setzte in der Folge zahlreiche Projekte um. Im Jahr 2009 folgte die Gründung des Zentrums für frühe Bildung mit dem Ziel, naturpädagogische Ansätze zu befördern, wie Geschäftsführer Jochem Schirp herausstellt. Zwischen 2012 und 2016 erstellte der Verein im Auftrag des Hessischen Sozialministeriums „Handreichungen für die naturpädagogische Praxis in Kindertagesstätten“.
Waldpädagogik hat großen Einfluss auf Sprachfähigkeit
Der bsj erarbeitet in den kommenden Wochen ein pädagogisches Konzept und sucht nach Mitarbeitern, während die Stadt sich beispielsweise um die Unterbringung der Einrichtung kümmert: Der Landkreis stellt an der Waldschule einen Pavillon mit drei Räumen zur Verfügung – einer davon soll für die Kinder als Schutzraum bei extremer Witterung dienen, die anderen als DRK-Kleiderkammer. Zudem soll in das Waldstück entweder ein Bauwagen oder ein Container für das Material kommen. Zudem muss eine Toilette eingerichtet werden.
Die Stadt will in die weitere Planung auch die engagierten Eltern einbinden, die das Thema über die „Soziale Stadt“ an die Kommune herangetragen hatten. Zunächst war Groll skeptisch, inzwischen sieht er einen Waldkindergarten jedoch als Abrundung des städtischen Angebots. Er glaubt, das Waldpädagogik besonders hohen Einfluss auf die Sprachfähigkeiten habe: „Es geht einfacher, eine Sprache zu lernen, weil man sich etwas zeigt und darüber redet.“ Eine These, die Schirp bestätigt – vor allem auch bei sozial benachteiligten Menschen. Sein Verein habe dies geprüft: „Der Wald steckt voller Wörter und Geheimnisse, die entdeckt und für die Begriffe entwickelt werden müssen.“ Doch damit sei das „Bildungspotenzial“ des Waldes noch lange nicht erschöpft: „Es ist vielfach belegt, dass die motorische Entwicklung gefördert, Neugier und Entdeckerlust angeregt und so Bildungsprozesse sehr stark gefördert werden.“
Zwölf Familien bekundeten bei einer Befragung durch Eltern ihr Interesse an einem Waldkindergarten. Bei einer eigenen Befragung kam die Stadt Neustadt sogar auf 20 Interessierte. Ansprechpartnerin bei der Stadt ist Marianne Dippel. Insgesamt gibt es 22 Plätze zu vergeben. Vorrang haben dabei Familien aus dem Neustädter Stadtgebiet. „Sollten später aber – wider Erwarten – noch Plätze frei sein, würden wir auch Kinder aus anderen Kommunen aufnehmen“, kündigt Groll an, der eine Umsetzung entweder noch im Herbst spätestens aber zum Frühjahr 2018 für realistisch hält. Die Einrichtung soll von 7.45 bis 13 Uhr geöffnet sein – danach können die Kinder in den „Regenbogen“ wechseln, um in den Genuss von Mittagessen und einer Nachmittagsbetreuung zu kommen. Konkrete Kosten für das Projekt kann Groll zurzeit nicht nennen, da noch zu viele Details offen sind. Er rechnet derzeit mit einem „verbleibenden Defizit von bis zu 50000 Euro“.