Neustadts Stadtverordneten liegt Modellrechnung für mögliche wiederkehrende Straßenbeiträge vor
„Ich hege durchaus Sympathien“, sagt Bürgermeister Thomas Groll mit Blick auf die mögliche Einführung wiederkehrender Straßenbeiträge. Eine Entscheidung ist aber noch längst nicht getroffen.
von Florian Lerchbacher
Neustadt. Seit rund einem Jahr beschäftigen sich Neustadts Stadtverordnete mit der Frage, ob sie wiederkehrende Straßenbeiträge einführen wollen oder nicht. Noch ist vieles Theorie, aber immerhin haben sie nun schon einmal relativ konkrete Zahlen an der Hand: Das Pohlheimer Büro KC Becker hat für die Zeit bis 2030 anhand der Neustädter Prioritätenliste Straßenbau eine Modellrechnung für die Kernstadt und den Stadtteilen erstellt.
Ein Ergebnis: Je größer ein Abrechnungsgebiet und somit die umzulegende Fläche ist, desto geringer fällt die Belastung für den Einzelnen aus. Gleichzeitig ist aber auch festzuhalten, dass über die Jahre hinweg in kleinen Gebieten weniger Straßen gemacht werden müssen. Plus: Wiederkehrende Straßengebühren fallen nur in den Jahren an, in denen im Wohnort tatsächlich auch Straßenbau betrieben wird.
In der Kernstadt sind für die Zeit zwischen 2019 und 2030 beispielsweise Projekte mit Kosten in Höhe von 1,23 Millionen Euro geplant. Dort würden sich die Gebühren (abhängig von der Anzahl der Stockwerke der Bebauung und der Art der Nutzung der Gebäude) zwischen 0,022 und 0,041 Euro pro Quadratmeter Fläche bewegen. In Speckswinkel wären es zwischen 2023 und 2030
angesichts von Projekten mit Kosten in Höhe von 1,55 Millionen Euro indes 0,423 Euro pro Quadratmeter. In Momberg geht das Fachbüro für die Zeit von 2019 bis 2022 von 0,263 Euro pro Quadratmeter und für die Zeit von 2023 bis 2025 von 0,074 Euro pro Quadratmeter aus. Für Mengsberg belaufen sich die errechneten Beiträge zwischen
2020 und 2023 auf 0,281 Euro sowie zwischen 2024 und 2026 auf 0,178 Euro pro Quadratmeter.
Der kommunale Anteil beläuft sich derweil auf rund 26 bis 29 Prozent der Kosten.
„Eine solche Berechnung liefert wichtige Anhaltspunkte, kann aber natürlich nicht alle Einzelfälle berücksichtigen“, betont Bürgermeister Thomas Groll und hebt hervor, dass sich bei einer Systemänderung auch durch die späteren Ausschreibungsergebnisse noch Veränderungen ergeben könnten. „In der Kernstadt dürften jährlich wiederkehrende Straßenbeiträge anfallen, in den Stadtteilen wird dies eher nicht der Fall sein“, resümiert er.
Die Stadt rechnet damit, dass sie eine Umstellung auf wiederkehrende Gebühren zusätzliche rund 560 000 Euro kosten würde, die durch die Umstellung, die Erstellung der Bescheide, Nachkalkulationen, Personalkosten und etwaige Kreditbeschaffungen sowie die natürlich auch von der Kommune für die eigenen Grundstücke zu tragenden, regelmäßigen Beiträge entstehen würden. Um dieses „Loch“ zu stopfen, denkt Groll über eine Erhöhung der Grundsteuer B um 17 Punkte auf 382 Punkte nach.
Während eines ersten Infogesprächs hatte Andrea Rauscher vom Hessischen Städte- und Gemeindebund angekündigt, dass es bei einer Umstellung Gewinner und Verlierer geben werde. „Verlierer des neuen Systems wären in meinen Augen diejenigen, die in den vergangenen zehn bis zwölf Jahren Anliegergebühren zahlen mussten“, räumt Groll ein und erinnert daran, dass in Hessen aber erst seit dem Jahr 2013 die Möglichkeit
besteht, die Gebührenerhebung umzustellen. Seitdem hat die Stadt nur zwei Straßen grundhaft saniert. Die „Verlierer“ wären zwar bis zu 25 Jahre von der Zahlung der wiederkehrenden Beiträge befreit, müssten aber trotzdem die erhöhte Grundsteuer zahlen. „Es wäre negativ für wenige, aber positiv für viele“, sagt er und verweist darauf, dass das mögliche neue System viel mit Solidarität zu tun habe. An diesem Punkt hakt Sebastian Sack (SPD) ein: „Junge Menschen können einen Kredit nehmen, wenn ihre Straße saniert wird und Kosten anfallen. Für die älteren ist das schwieriger, für sie ist eine solche Einmalzahlung ein riesiger Batzen, den sie nicht so einfach tragen können und der sogar existenzgefährdend sein kann.“ Ein Betrag von einigen hundert Euro im Jahr sei jedoch leichter verkraftbar, betonte er und appellierte dafür, das Prinzip der Solidarität zu leben.
„Gewinner wären alle Eigentümer, deren Grundstücke an kommunalen Straßen liegen, die zukünftig grundhaft saniert
würden“, greift Groll seinen Gedanken wieder auf und ergänzt: „Für sie entfiele die einmalige Zahlung einer großen Beitragssumme innerhalb kurzer Zeit. Hier wirkt der wiederkehrende Straßenbeitrag wie eine Art Versicherung, die greift, wenn der Fall der Fälle vorliegt.“ In allen Abrechnungsgebieten würden betroffene Anlieger bei einem Systemwechsel jedenfalls deutlich weniger für den Straßenbau zahlen als in der Vergangenheit.
Derzeit plant die Stadt keine Straßenbauprojekte – bis auf die Nebenanlagen der Querallee, die 2018 parallel zum Straßenbau des Bundes gemacht werden soll. Erst wenn feststeht, wie die Stadt künftig Gebühren erhebt, soll es weitergehen.
Die Stadtverordneten beraten die Thematik nun in den Fraktionen. Voraussichtlich bis Ende August wollen sie eine Entscheidung über einen möglichen „fundamentalen Wechsel“, wie Groll sagt, treffen. Sollte das Votum für die wiederkehrenden Straßenbeiträge ausfallen, plant die Stadt Infoveranstaltungen für die Bürger.