Auf den Spuren von Vater und Großvater

 

Erster Stadtrat Wolfram Ellenberg springt erstmals für längere Zeit als Bürgermeister von Neustadt ein

 

Seit Mitte April ist Wolfram Ellenberg in Neustadt Erster Stadtrat. Während des Urlaubs von Bürgermeister Thomas Groll gibt er erstmals für mehr als nur ein oder zwei Tage im Rathaus den Ton an.

von Florian Lerchbacher

Neustadt. Doch eigentlich ist Wolfram Ellenberg (CDU) eher ein Mann der ruhigen Töne. Gelassen sitzt er im Bürgermeisterzimmer des Neustädter Rathauses und betont, er wolle nicht im Vordergrund stehen. Dabei ist er momentan in der Junker-Hansen-Stadt die Nummer eins: Als Erster Stadtrat muss er Bürgermeister Thomas Groll (CDU) ersetzen, wenn dieser nicht da ist. Und dies ist erstmals seit der Kommunalwahl am 6. März – bei der Ellenberg aufseiten der Christdemokraten die meisten Stimmen einfuhr – der Fall.

Zweimal pro Woche nimmt er sich Zeit, um auf dem Fahrrad durch Neustadt oder den Stadtteilen zu fahren und Ansprechpartner für die Menschen zu sein. Beschwerden, Tipps, Hinweise – Ellenberg ist offen, hört den Bürgern zu und interessiert sich für ihre Meinung. Ganz ähnlich also zu Groll, der als hauptamtlicher Bürgermeister aber natürlich auf weitaus mehr Ebenen aktiv sein muss: „Ich

muss mich ja nicht um Dinge wie Fördermittel oder andere große Themen kümmern“, hebt der derzeitige, ehrenamtliche Rathauschef hervor. In solchen Fällen vertraue er den Fachreferenten: „Man muss sich auf die Leute verlassen – und das kann man in Neustadt auch.“ Oder die Anliegen müssten eben liegenbleiben, bis der eigentliche Rathauschef wieder im Dienst ist. „Ich jedenfalls rufe Thomas Groll nicht an. Wer Urlaub hat, hat Urlaub!“ Allerdings nehme der Bürgermeister immer mal wieder zu ihm Kontakt auf: „Er arbeitet im Hintergrund schon weiter.“ Zum Beispiel unternahm Groll einen Abstecher nach Helgoland, um zusätzliche Infos für die Veranstaltung „175 Jahre Deutschland-Lied“ am Montag um 19.30 Uhr mit Bundesminister a.D. Rudolf Seiters einzuholen. August Heinrich Hoffmann von Fallersleben hatte den Text schließlich einst auf der Insel geschrieben.

Auf den Bürgermeister wartet nach dem Urlaub jedenfalls eine Liste mit Themen und Anregungen, die Ellenberg in zwei Wochen gesammelt hat. „Bürgernahe Politik ist wichtig. Wenn wir Dinge angehen wie die Sanierung des Hauses der Begegnung oder des Freibades oder das Thema Soziale Stadt, dann müssen wir uns beraten lassen“, betont er. Es sei beim Freibad beispielsweise essenziell zu wissen, ob die Menschen Startblöcke haben möchten oder es ihnen wichtiger sei, dass der Kiosk ab 10 Uhr geöffnet ist, „damit die Kinder Pommes kriegen können“.

Seit zehn Jahren engagiert sich Ellenberg in der Neustädter Politik. Seit 40 Jahren ist er bereits Mitglied der CDU – und das, obwohl in seiner Heimat, der einst unabhängigen 250-Seelen-Gemeinde Edersee, die SPD eine deutliche Mehrheit hatte. Es gehe stets um die Sache, nicht um die Partei, kommentiert er – und zählt als Vorbilder Politiker verschiedener Parteien auf: von Konrad Adenauer über Norbert Blüm und Richard von Weizsäcker bis hin zu Helmut Schmidt. Entsprechend freut er sich auch über die „sachorientierte und fraktionsübergreifende Politik der Vernunft zum Wohle der Stadt“, die Neustadts Stadtverordnete betreiben.

Dieser Tage tritt Ellenberg erstmals in die Fußstapfen seiner Vorfahren: Vater und Großväter waren (parteilose) Bürgermeister in Edersee. Ehrenamtlich – also ganz wie er: „Mir wurde das politische Interesse quasi in die Wiege gelegt.“ Dass er „erst“ vor zehn fahren in die Stadtpolitik einstieg, habe berufliche Gründe gehabt, erläutert der einstige Vorsitzende des VfL Neustadt – der das „Projekt“ Kunstrasenplatz einst als Vereinschef auf den Weg brachte, noch immer als Bauleiter begleitet und nicht nur als Politiker mit großer Freude beobachtet: „Faszinierend sind die vielen Helfer.“

In den nächsten Tagen werden auf der „Ochsenwiese“ Granulat und Kunstrasen aufgebracht. Zum 20. September soll der einstige Hartplatz grün sein.

Dann aber hat schon lange Thomas Groll wieder das Ruder in der einen Hand – und in der anderen eine Liste mit Themen, Anliegen und Anregungen, die Ellenberg in seinen zwei Wochen als „Nummer eins“ gesammelt hat. Er will dem Bürgermeister zum Beispiel mit auf den Weg geben, dass der Trimm- Dich-Pfad am Jugendraum möglichst bald gebaut wird, dass ein behindertengerechter Eingang für den Kindergarten zwingend erforderlich sei und die Eintrittspreise beim Schwimmbad familienfreundlicher gestaltet werden müssten.