Neustädter setzen weiterhin auf die Einführung wiederkehrender Straßenbeiträge
Ohne fremdes Geld geht es nicht – dessen ist sich Thomas Groll sicher. Und so müssen neben der Stadt entweder die Bürger oder das Land bei der Straßensanierung in die Taschen greifen.
von Florian Lerchbacher
Neustadt. Seit einigen Jahren diskutieren Neustadts Stadtverordnete, wer für die Kosten von Straßensanierungen aufkommen soll. Ihr nach zahlreichen Infoveranstaltungen favorisierter Weg: die Einführung wiederkehrender Straßenbeiträge. In Stadtallendorf war das Thema vergleichsweise kurz auf der Agenda. Das Ende vom Lied: Die Stadt schafft die Straßenbeiträge ab. „Die Bürger haben nun natürlich eine Erwartungshaltung an ihre Heimatkommune. Das kann ich verstehen“, sagt Neustadts Bürgermeister Thomas Groll und erklärt, dass sich dies aber nicht einfach auf Neustadt übertragen lasse: „Der Sachverhalt ist kompliziert, und manche Beitragsbefreiung kommt den Bürger in der Folge gegebenenfalls teuer zu stehen.“
Entsprechend führt er ein Beispiel an: Wenn die Sanierung einer kommunalen Straße mit Anliegerverkehr 400 000 Euro kostet, trugen die Anlieger bisher 75 Prozent – also 300 000 Euro. Geld, das bei einer Abschaffung der Straßengebühren der Stadt fehlen würde. Und Geld, das sie irgendwo einsparen oder zusätzlich einnehmen müsste.
Einige Kommunen denken über eine Erhöhung der Grundsteuer B nach – in Neustadt müsste diese laut Groll um 30 Prozent steigen, um den Ausfall zu kompensieren. „Doch dann gäbe es auch keine Befreiungstatbestände mehr“, kommentiert er mit Verweis darauf, dass bei der von den Neustädtern geplanten Variante der wiederkehrenden Straßenbeiträge Bürger bis zu 25 Jahre von selbigen freigestellt werden können – wenn ihre Straßen in den vergangenen Jahren saniert wurden und sie Anliegerbeiträge berappen mussten. Noch dazu soll es in Neustadt gesonderte Abrechnungsgebiete geben – sodass nur die Bürger zur Kasse gebeten werden, in deren Stadtteil Straßen saniert werden. Stichwort Solidarität: Statt wenige Anlieger einmal massiv zu belasten, will die Stadt sozusagen Menschen aus der Umgebung gemeinsam für die Aufwertung ihres Umfeldes bezahlen lassen. Nach einer Modellrechnung würden die Bürger zwischen 71 und 74 Prozent der Kosten tragen – also ähnlich wie bisher, nur eben auf mehrere Köpfe verteilt.
Doch zurück zur Idee, statt- dessen die Grundsteuer B zu erhöhen: „Das würde die Steuerkraft der Kommune verbessern. Erhöhen mehrere Städte und Gemeinden die Grundsteuer B, dann verändern sich die Nivellierungssätze, auf deren Grundlage das Land die Gelder für die Kommunen verteilt“, führt Groll an und ergänzt: „Ebenfalls verändert sich die Finanzierung der Kreis- und Schulumlage. Im Ergebnis würde die Kommune drauflegen, denn sie erhielte weniger Schlüsselzuweisungen und müsste höhere Umlagen zahlen.“ Von den eigentlich für den Straßenbau eingeplanten Mehreinnahmen würden nur wenige in der Kommune bleiben: „Im Ergebnis käme es zu einer Spirale der Grundsteuer- Erhöhung.“
Statt über die Grundsteuer B Mehreinnahmen zu generieren, gibt es auch Kommunen, die auf die Gewerbesteuerumlage als Geldquelle setzen wollen – nach deren Reformierung im Jahr 2020. „Das mag für Kommunen mit großem Gewerbesteueraufkommen ein Lösungsansatz sein, für Kommunen mit wenig Gewerbesteuer wie Neustadt ist das aber uninteressant“, meint
Groll und kehrt zu seinem Beispiel zurück: „Nach der Reform der Gewerbesteuerumlage hätten wir vielleicht 100 000 Euro mehr in der Kasse – aber wir brauchten 300 000 Euro. Also bliebe wieder nur die Erhöhung der Grundsteuer. Wenn auch nur um 20 Prozent.“
Bürgermeister fordern vom Land finanzielle Hilfe
An eine komplette Befreiung der Bürger von den Straßenbeiträgen, wie von SPD und Linken im Landtag gefordert, glaubt Groll nach der Landtagswahl und der Regierungsneubildung nicht. Er freut sich, dass das Land beschlossen hat, den Kommunen bei der Einführung wiederkehrender Straßenbeiträge finanzielle Unterstützung zu geben – für Neustadt 90 000 Euro: „Ein Betrag, der alle Ausgaben für diesen Prozess gerade so deckt.“ Aber: Groll hätte gerne mehr – ebenso wie die anderen Bürgermeister, mit denen er gemeinsam eine Resolution auf den Weg gebracht hat. Da das Land den „schwarzen Peter“ an die Kommunen weitergeschoben habe und diese von den Bürgern nun als Buhmann herhalten müssen, wenn sie Straßenbeiträge fordern, solle das Land dann auch finanzielle Hilfe leisten – ganz so wie in Bayern.
Wenn das Land der Forderung nicht nachkommt, dann hält Groll die wiederkehrenden Straßenbeiträge sozusagen für das geringstmögliche Übel: „Winston Churchill hat einmal gesagt, die Demokratie sei die schlechteste Staatsform von allen – aber er kenne keine bessere. So ähnlich verhält sich das mit den wiederkehrenden Straßenbeiträgen.“ Und so geht er davon aus, dass die Stadtverordneten in den kommenden Sitzungen die rechtlichen Grundlagen schaffen und die Einführung des Modells auf den Weg bringen.