Ein medizinisches Zentrum für Neustadt?

Ärztliche Versorgung bleibt Thema / Stadt sieht sich in der Position des Vermittlers
Von Florian Lerchbacher
Neustadt. Ärzte aufs Land zu locken ist ein Thema, um das sich Kommunen deutschlandweit sorgen. In Allendorf/Eder baut die Gemeinde derzeit ein Ärztehaus, das sie einem jungen Arzt vermieten wird. Ein Konzept, über das auch die Stadt Neustadt nachdenken könnte? Nein, sagt Bürgermeister Thomas Groll.

Zwar sei ihm durchaus bewusst, dass es eine Herausforderung gebe. Die Aufgabe einer Kommune sei es aber eigentlich höchstens, vermittelnd tätig zu werden und beispielsweise das Gespräch mit Ärzten zu suchen. „Erst, wenn es der Markt selber nicht regelt, muss man sich überlegen, wie eine Kommune eingreifen kann“, erklärt er und verrät, dass es derzeit entsprechende Gespräche gebe.

Die Stadt habe an ein heimisches Kreditinstitut ein an Bundesstraße und Bürgerpark gelegenes „Filetstück“ verkauft – die Rede ist von dem Gelände neben dem Kultur- und Bürgerzentrum, auf dem einst ein Investor eine Anlage für betreutes Wohnen hatte bauen wollen. Nun sei der Plan, auf dem Grundstück ein Gebäude zu bauen, um „unter anderem Ansiedlungen rund um Medizin zu verwirklichen“. Derzeit befinde sich das Projekt in der Eruierungsphase, erklärt er auf Nachfrage dieser Zeitung und betont, dass Details frühestens Ende März preisgegeben werden sollen.

In der Dezember-Sitzung der Stadtverordnetenversammlung hatte der Rathauschef bereits eine Anfrage von Anke Stark (SPD) beantwortet. Die Sozialdemokratin sorgt sich um die ärztliche Versorgung im Stadtgebiet und regt ebenfalls an, über die Gründung von Gesundheitszentren oder medizinischen Versorgungszentren nachzudenken. Sie hatte kritisiert, dass aufgrund der Altersstruktur der Hausärzte die Versorgung „nur noch schwer und in den nächsten Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr gewährleistet werden“ könne. Dies sei gerade in der von der Corona-Pandemie geprägten Zeit aufgefallen:

„Die ansässigen Praxen sind voller Patienten. Neue Patienten können nicht mehr aufgenommen werden, und die für den ländlichen Raum wichtigen Hausbesuche können nur noch sehr begrenzt wahrgenommen werden.“

Das sieht Groll anders. Seiner Meinung nach ist die Versorgung durch drei Praxen mit insgesamt fünf Ärzten sehr wohl gewährleistet. Die Ärzte würden unter großer persönlicher Anstrengung ihr Bestes leisten und die Versorgung sichern. Aber ja, Stark habe recht mit dem Verweis auf die Zukunft: Bei zwei Praxen gelte es, über eine Nachfolge nachzudenken. Die Kommune solle aber eigentlich nur begleitend aktiv sein. Attraktiv sei die Stadt mit rund 10 000 Einwohnern und einer Infrastruktur mit Schulen, Kitas und einem abwechslungsreichen Freizeitangebot aber theoretisch schon: „Wir sind eine lebens- und liebenswerte Kleinstadt, die es gut finden würde, wenn junge Ärzte das auch erkennen würden.“

Die Hoffnungen ruhten aber zunächst auf dem angedachten Projekt des heimischen Kreditinstituts. „Der Magistrat befürwortet die (Neu-)Ansiedlung von Allgemeinmedizinern und/oder Zahnärzten“, schreibt Groll in seiner Antwort an Stark.

Die Sozialdemokratin bedauert außerdem, dass Fachärzte in der Umgebung kaum erreichbar seien, kaum noch Termine frei hätten und meist monatelange Wartezeiten in Kauf zu nehmen seien. Eine Ansiedlung von Fachärzten in Neustadt hält Groll derweil für unwahrscheinlich. Seines Wissens nach habe es nie Fachärzte in der Junker-Hansen-Stadt gegeben.

„Zumindest in den vergangenen 40 Jahren, die ich sicher überblicken kann, gab es in Neustadt nur Allgemeinmediziner und Zahnärzte“, sagt Groll und betont, er würde selbstverständlich Fachärzte in seiner Heimat begrüßen, glaube aber nicht, dass Neustadt in diesem Themenbereich mit Kirchhain, Stadtallendorf oder Treysa konkurrieren könne. „Das wäre die Kür. Jetzt geht es erstmal um die Pflicht“, resümiert er.