Frühere Neustädter Kaserne steht zu einem Teil bereit für die Aufnahme der ersten Flüchtlinge
Im Augenblick bevölkern Baufahrzeuge und Arbeiter das frühere Kasernengelände noch. Für die ersten Flüchtlinge, die in Neustadt ankommen, wird es noch einige Provisorien geben müssen.
von Michael Rinde
Neustadt. Zwei Etagenbetten, vier Spinde, ein Tisch mit vier Stühlen und ein Kühlschrank. Das ist das gesamte Inventar eines Vier-Personen-Zimmers, in dem in Zukunft Flüchtlinge vier bis sechs Wochen leben werden. Luxus sieht anders aus. Alles ist schlicht gehalten, einfach und zweckmäßig.
Am Mittwoch stellten Regierungspräsidenten Dr. Lars Witteck und Wolfgang Dippel, Staatssekretär im hessischen Sozialministerium, das vor, was in der neuen Erstaufnahmeeinrichtung fertig ist. Gemessen an der kurzen Zeit ist das einiges. Es fehlt aber auch noch etwas: Weder das Gebäude für die Kinderbetreuung wie auch für ehrenamtliche Helfer ist fertig noch das Sanitätszentrum. Es wird Provisorien geben. Das gilt wie von der Behörde angekündigt ebenso für die Kantine. Flüchtlinge bekommen noch bis Anfang Juni bereits vorbereitete Mahlzeiten. Elke Weppler, Leiterin der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen, ist auch für Neustadt verantwortlich. Ihre Mitarbeiter entscheiden in der Anfangsphase, welche und wie viele Flüchtlinge in Neustadt ihre erste Station in Deutschland haben werden. Woher die Menschen stammen, die in der nächsten Woche in Neustadt einziehen, war am Mittwoch noch nicht klar. Aktuell kommen in Gießen täglich zwischen 250 und 275 Flüchtlinge an und werden auf die Unterkünfte verteilt. Momentan, erklärt Weppler im Gespräch mit der OP, kämen die meisten Neuankömmlinge aus Albanien, Syrien und Afghanistan.
Spätestens ab Herbst werden in der Erstaufnahmeeinrichtung in Neustadt zwischen 120 und 150 Menschen arbeiten, vom Reinigungspersonal bis hin zu den Mitarbeitern des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Ausschreibungen wurden auch in Neustadt veröffentlicht. Derzeit laufen noch Auswahlverfahren. Für die Stellen in Neustadt und Büdingen gebe es rund 1 000 Bewerber, verdeutlichte Elke Weppler. Das mit der Essensversorgung beauftragte Unternehmen habe von elf Stellen bereits fünf an Neustädter vergeben, weitere sechs an Menschen aus der Region. Bei den Sanierungsarbeiten in der früheren Kaserne seien zahlreiche Neustädter Unternehmen zum Zuge gekommen. Sie hätten sich in den Ausschreibeverfahren durchgesetzt, erklärte Regierungspräsident Witteck,
Zunächst werden die ankommenden Flüchtlinge zumindest zum Teil zwischen Neustadt und Gießen hin- und hertransportiert werden müssen, zumindest für die Stellung des Asylantrages und die medizinische Erstuntersuchung. „Idealerweise soll es so sein, dass die Flüchtlinge zuerst in Gießen ankommen, dort ihre Anträge stellen, und dann nach Neustadt gefahren werden“, sagte Witteck.
Sobald alle Einrichtungen in Neustadt fertiggestellt sind, wird es keinen Pendelverkehr mehr geben müssen. Das Bundesamt wird sämtliche Asylanträge in Neustadt annehmen und bearbeiten.
Ein privater Sicherheitsdienst ist seit Beginn der Bauarbeiten bereits in der Erstaufnahmeeinrichtung im Einsatz. Er soll zum einen dafür sorgen, dass innerhalb der Einrichtung alles ruhig bleibt. Und zum anderen ist das Unternehmen dafür verantwortlich, die Einrichtung vor ungebetenen Gästen zu schützen. Besuche werden reglementiert, das entspricht dem aus Gießen bekannten Standard, auch zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Flüchtlinge. „Wir wollen hier keinen Zoo und keine Missionare“, machte Witteck erneut klar. Die Flüchtlinge selbst können die Einrichtung jederzeit verlassen.
Neustadts Bürgermeister Thomas Groll nutzte die große Medienkulisse, um noch einmal deutlich Position zu beziehen. Natürlich sei in Neustadt niemand in Jubelstürme ausgebrochen, als klargeworden sei, wie die Kaserne jetzt genutzt wird. Der Bund überlässt die Gebäude dem Land kostenfrei. „Aber wir sind offen für die ankommenden Flüchtlinge“, betonte er zugleich.
Groll machte außerdem klar, dass die Bevölkerung erwarte, dass sich die Gäste an Recht und Gesetz, an Sitten und Gebräuche hielten. In diesem Zusammenhang erneuerte er gegenüber Staatssekretär Dippel die Forderung nach einem Sicherheitskonzept, bei dem die Polizeistation Stadtallendorf personell verstärkt wird. „Prävention ist wichtiger als Reaktion“, sagte Groll. Wie die OP exklusiv berichtet hatte, lehnt Polizeipräsident Manfred Schweizer mehr Personal für die Polizei Stadtallendorf ab. Groll sprach von einem „Dissens“ mit Schweizer. Groll hatte die Forderung unter anderem mit Rücksicht auf das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung, mit der Möglichkeit eines besseren Schutzes der Flüchtlinge bei denkbaren Übergriffen wie auch bei Auseinandersetzungen in der Erstaufnahmeeinrichtung begründet. Staatssekretär Dippel sagte Groll zu, sich in das Thema einzuschalten. Neustadts Bürgermeister lobte die bisherige Zusammenarbeit mit dem Land, insbesondere auch mit Elke Weppler.
Leiterin froh über Entlastung für Gießen
Dass in Gebäuden wie auch bei den Außenanlagen noch einiges passieren müsse, bis ein Vollbetrieb möglich sei, stellte Elke Weppler heraus. Der Bolzplatz solle wieder hergerichtet werden, es fehlte noch ein Spielplatz.
Weppler selbst war am Mittwoch froh, dass es angesichts der Situation der Gießener Einrichtung jetzt auch in Neustadt losgehe. „Dort ist es inzwischen viel zu eng, zu voll, und alles, was möglich ist, ist belegt, einschließlich der Zelte“, erklärte sie im Gespräch mit der OP. Auch sie würdigte die bisherige Zusammenarbeit mit der Stadt Neustadt. Es sei gut, dass alle Sorgen und Wünsche früh angesprochen worden seien.