Es rumpelt in der Bahnhofstraße

Anwohnende kritisieren Lärm und Erschütterung und fordern Tempo-30-Zone
Von Florian Lerchbacher
Neustadt. „Es wird immer schlimmer und ist kaum noch erträglich.“ Manuel Göbel hat die Nase voll von den Zuständen in der Bahnhofstraße in Neustadt: Seit der Verkehrsfreigabe für das A-49-Stück zwischen Neuental und Schwalmstadt habe der Verkehr auf der Bundesstraße, die durch die Junker-Hansen-Stadt fährt, deutlich zugenommen – insbesondere die Zahl der Lastwagen sei stark angestiegen. Und wenn diese mit 50 Sachen „im Minutentakt“ durch die Bahnhofstraße fahren, dann sei es nicht nur sehr laut, sondern es seien auch deutliche Erschütterungen zu spüren. Weder die Antivibrationsmatten unterm Bett noch die Lärmschutzfenster würden wirklich helfen, bedauert der Neustädter – der seine Doktorarbeit aus diesem Grund auch nicht zuhause schreiben konnte: Konzentrieren sei angesichts des ständigen Krachs und der Erschütterungen einfach nicht möglich.

Dem pflichtet auch Wolfgang Faber bei: „Es fühlt sich jedes Mal an, als gebe es leichte Erdbeben. Die Gläser in den Schränken wackeln bei jedem Lastwagen, der durch die Straße fährt.“ Er moniert, dass Tempo 50 bei dieser Verkehrsbelastung zu flott sei – insbesondere angesichts des Zustandes des Straßenbelages, der immer schlechter werde. Zwar seien einige Löcher geflickt worden – wirkliche Besserung habe dies aber nicht gebracht. Und die entstehenden Erschütterungen beschädigten sicherlich auch die Bausubstanz der Häuser in der Bahnhofstraße, kritisiert Faber.

30 Anwohnende sind bei Unterschriftenaktion dabei

Aus diesem Grund haben er und Göbel eine Unterschriftenaktion auf den Weg gebracht: Gemeinsam mit rund 30 weiteren Anwohnenden kritisieren sie die Situation und fordern die Einrichtung einer Tempo-30-Zone – wenn schon nicht komplett, dann zumindest zwischen 22 und 6 Uhr, also so wie in der Hindenburgstraße um die Ecke. Für motorisierte Verkehrsteilnehmer bedeute dies, dass sie 13 Sekunden länger unterwegs sind, analysiert Faber: „Aber für uns würde das eine Verbesserung der Lebensqualität mit sich bringen.“

Mit ihrem Anliegen haben sich die Anwohnenden an die Straßenverkehrsbehörde beim Landkreis gewendet. „Anordnungen und Grundrechtseingriffe rein subjektiv und nach eigenem Ermessen vorzunehmen, widerspricht dem gesetzlichen Gleichbehandlungsgedanken“, teilt diese über Pressesprecher Stephan Schienbein mit und betont: „Behörden sind natürlich an Recht und Gesetz gebunden.“ Eine streckenbezogene Geschwindigkeitsbeschränkung in einer Ortsdurchfahrt zu veranlassen, sei an strenge Anforderungen geknüpft. Geschwindigkeitsbeschränkungen aus Gründen des Lärmschutzes kämen nur dann in Betracht, wenn gewisse Richtwerte für Lärm überschritten werden: In reinen und allgemeinen Wohngebieten, Kleinsiedlungsgebieten sowie an Krankenhäusern, Schulen, Kur- und Altenheimen sind das beispielsweise 70 Dezibel zwischen 6 und 22 Uhr und 60 Dezibel des nachts. Maßgebend für die Berechnung dieses Beurteilungspegels und die Bestimmung des Immissionsortes sind die Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen“, sagt Schienbein: „Örtliche Schallmessungen können hierbei nicht berücksichtigt werden, da sich diese Messwerte nur auf die zum Zeitpunkt der Messungen vorhandenen Bedingungen zur Ausbreitung des Schalls beziehen, daher muss eine Berechnung der Richtwerte stattfinden.“ Dies könne die Kommune beim Straßenbaulastträger beantragen – oder über den Lärmaktionsplan des Regierungspräsidiums Gießen (RP).

Stadt regt Tempo 30 für mehrere Stellen an

Dies habe die Stadt auch gemacht, sagt Bürgermeister Thomas Groll auf Anfrage dieser Zeitung. Die Kommune unterstütze die Anliegenden. Auch wenn die Verkehrszunahme nicht so schlimm wie befürchtet sei, so sei die Belastung für die Menschen durchaus groß. Jüngst erst hat die Stadt wieder den Verkehr zählen lassen: Durch die Bahnhofstraße fahren täglich 10.000 Fahrzeuge, durch die Marburger Straße sogar 14.000. In der Hindenburgstraße sind es 8.400 Fahrzeuge, in der Wasenberger Straße wurden 6.400 gezählt.

„Wir würden Tempo 30 an verschiedenen Stellen begrüßen“, resümiert Groll. Die Kommune hat daher für die Marburger Straße, die Lehmkaute, die Bahnhofstraße sowie die Willingshäuser und Wasenberger Straße beim RP Tempo 30 bei Nacht angeregt und für den gesamten Verkauf der B 454 innerorts ebenfalls eine Maximalgeschwindigkeit von 30 Stundenkilometern vorgeschlagen. Bis darüber eine Entscheidung getroffen wird, werde es allerdings voraussichtlich bis kommendes Jahr dauern, heißt es aus dem Rathaus.