Bürgermeister bezeichnet aufgelegtes Programm als unfair
Thomas Groll, der gerade seine zweite Amtszeit als Bürgermeister von Neustadt angetreten hat, ist verärgert: Das hessische Innenministerium zieht seinen Zorn mit einem Förderprogramm auf sich.
von Florian Lerchbacher
Neustadt. Viele Jahre waren Holger Michel, Fachbereichsleiter Finanzen der Stadt Neustadt, und seine Kollegen damit beschäftigt, eine Eröffnungsbilanz zum Jahr 2009 zu erstellen. Das heißt, sie mussten unter anderem 30 Jahre alte Rechnungen prüfen, Vermögen und Schulden der Stadt auflisten und quasi eine vollständige Inventur der Besitztümer von Straßen über Feldwege bis hin zu Grundstücken machen. Grund dafür war der Wechsel von der Kameralistik hin zur doppischen Buchführung.
Anfangs dachten die Neustädter, sie könnten diese Aufgabe alleine erledigen. „Dann merkten wir jedoch, dass dies neben dem normalen Tagesgeschäft nicht möglich ist“, sagt Bürgermeister Thomas Groll. Entsprechend investierte die Stadt rund 25 000 Euro in einen Berater, mit dessen Unterstützung sie im Mai 2012 die Bilanz fertigstellte und zur Prüfung an den Landkreis schickte.
Inzwischen erhielten die Neustädter positives Feedback, stießen aber gleichzeitig durch eine Mitteilung des Hessischen Städtetages auf ein geplantes Förderprogramm des hessischen Innenministeriums. Kommunen sollen 20 000 Euro erhalten, wenn sie eine Eröffnungsbilanz in „hinreichender Tiefe“ erstellt haben. Weitere 20 000 Euro soll es für den ersten Jahresabschluss geben. Allerdings gilt das Programm nur für Kommunen bis 7 500 Einwohner – eine Einschränkung, die Groll auf die Palme bringt.
Wiesbaden reagiert nicht
„Es gibt Kommunen, die 1 100 Einwohner mehr und die gleichen Probleme haben“, ärgert er sich und betont, die anhand der Einwohnerzahl gezogene Grenze sei nicht nachvollziehbar: „Gemeinden mit weniger als 7 500 Einwohnern sind beim Ordnungsrecht eingeschränkt -allerdings hat dies nichts mit Finanzen zu tun.“ Viel schlimmer jedoch sei, dass Kommunen ihren Pflichten nicht nachkämen und nun auch noch mit Fördermitteln belohnt werden sollten.
„Es gibt nun also für Kommunen, die ihren Aufgaben nicht nachkommen, durch Rettungstücher die Möglichkeit, sanft zu landen“, schimpft er und erinnert an den kommunalen Rettungsschirm: „Kommunen, die bestrebt sind, ihre Sache ordentlich zu machen, profitieren davon nicht — müssen aber in Kauf nehmen, die gleichen Auflagen zu erhalten, wie Kommunen, die unter den Rettungsschirm kamen.“
Nun also gebe es ein weiteres „ungerechtes Förderprogramm“. Entsprechend wandte er sich an seinen Parteikollegen, den hessischen Finanzminister Dr. Thomas Schäfer – der jedoch nicht auf das Schreiben reagierte habe. Ähnlich ging es dieser Zeitung: Eine Anfrage an das Innenministerium zu den Gründen für das Ziehen der Grenzen und zu den Vorwürfen des Bürgermeisters blieb ebenfalls unbeantwortet. Fest steht nur: Die Stadt wird an diesen Fördertopf nicht herankommen.