„Herzblut“ hält Betriebe am Laufen

.Mengsberg – auf dem Weg zum Bundesentscheid“ (Teil 7): Die soziale Infrastruktur des Dorfes

Ein Dorf in einer ländli­chen Region ist für Men­schen umso interessanter, wenn die soziale Infra­struktur ihre Grund­bedürfnisse abdeckt – ein weiteres Pfund, mit dem Mengsberg wuchern kann.

von Florian Lerchbacher

Mengsberg. „Ichbekomme hier eigentlich alles, was ich für das tägliche Leben brauche“, sagt Ortsvorsteher Karlheinz Kurz. Ein Lebensmittelgeschäft, eine Bäckerei und zwei Gasthäuser sorgen für das „leibliche Wohl“ beziehungsweise die Grundversorgung. Kindergarten und Grundschule machen Mengs-berg für junge Familien attraktiv und sorgen ebenfalls dafür, dass der östlichste Ort des Landkrei­ses Marburg-Biedenkopf sich unabhängig vom Ausgang des Bundesentscheides von „Unser Dorf hat Zukunft“ als zukunftsfähig bezeichnen kann. Als Bo­nus obendrauf kommt noch das Hallenbad, das die soziale Infra­struktur des Dorfes mehr als ab­rundet

Doch für die Geschäftsleu­te ist es nicht einfach, die Exis­tenz in einem „Nest“ mit etwas mehr als 900 Einwohnern zu si­chern und mit weitaus größe­ren Konkurrenten aus den um­liegenden Städten mitzuhalten. Zwei Dinge haben sie alle ge­meinsam: Zum einen dürfen sie sich als traditionsreiche Fami­lienunternehmen bezeichnen, zum anderen investieren sie ei­ne Menge Herzblut und zeigen viel Idealismus, um ihre Ange­bote aufrecht zu erhalten.

Elisabeth Ochs (79) sorgt zum Beispiel dafür, dass der Gesang­verein und der Harmonikaclub eine Übungsstätte haben. Als vor mehr als 20 Jahren ihr Mann gestorben sei, habe sie die Gast­stätte neben der Kirche eigent­lich aufgeben wollen. „Der Gesangverein probt jedoch seit über 100 Jahren bei uns im Haus. Der Dirigent fragte daher, ob wir diese Tradition nicht fort­setzen können“, berichtet sie und ergänzt, dass sie da natür­lich nicht nein sagen konnte.

„Im Nachhinein war das gut. So kam immer noch jemand ins Haus“, sagt Ochs, der bei der Bewirtung der Gäste Le­bensgefährte Heinrich Wald­mann sowie Sohn Norbert Ochs samt Schwiegertochter zur Sei­te stehen. Als „richtige Gastwirt­schaft“ will sie ihren Betrieb je­doch nicht mehr bezeichnen, da nur noch dienstags für die Sän­ger und freitags geöffnet sei. Auf Bestellung stellt sie außerdem den großen und kleinen Saal für Feiern zur Verfügung.

Bäckerei-Gründerin liefert noch immer Brot aus

„Für große Veranstaltungen nutzen unsere Vereine die Gast­wirtschaften. Wir verzichten bewusst auf ein Dorfgemein­schaftshaus, um die örtliche Struktur aufrecht zu erhalten und den Gaststätten nicht das Wasser abzugraben“, wirft Kurz ein. Burschenschaft und TSV veranstalteten zum Beispiel ih­re Weihnachtsfeiern abwech­selnd in der Gaststätte Ochs und in der Hegeholzklause von El­ke Schröpfer und ihrem Mann Ernst, der noch einem anderen Beruf nachgehen muss, um die wirtschaftliche Existenz der Fa­milie zu sichern. Einfach sei es nicht, die 50 Jahre alte Klause am Leben zu erhalten, gibt die Wirtin zu: „Meine Schwieger­eltern haben die Gastwirtschaft aufgebaut – und wir versuchen natürlich weiterzumachen. Es ist schwierig, weil das Dorf zu viele Vereinsheime hat.“ Wichtig seien entsprechend Stammgäs­te wie die Mitglieder des Frauenstammtischs oder der Motor­radfreunde – aber auch besondere Aktionen wie der sonntäg­liche Brunch, zu dem stets zahl­reiche Gäste kommen.

Das zusätzliche Extra an Ein­satz ist es auch, das für die 60 Jahre alte Bäckerei Schröder überlebenswichtig ist. „Wir ha­ben viele Stammkunden. Aber natürlich muss man sehen, dass man seine Nische findet“, be­tont Klaus Schröder.

Mutter Maria (79) fährt zwei­mal in der Woche mit einem Verkaufswagen durch das Dorf – eine Tradition, die die Gründe­rin des Unternehmens aufrecht erhält. In den Anfangszeiten war sie zu Pferd unterwegs, spä­ter mit dem Moped, inzwischen mit dem Auto. Bäckermeister Klaus Schröder bietet seine Pro­dukte zudem zweimal pro Wo­che in Florshain an und belie­fert Großkunden wie drei Alten­heime. Sein Tag beginnt dann, wenn manch anderer ins Bett geht: um 2.30 Uhr, „und manch­mal früher“.

Auf Wurst spezialisiert hat sich derweil die Familie Naß, die seit vier Generationen das 1890 ge­gründete Lebensmittelgeschäft in Mengsberg betreibt. „Wir ge­hören zu Gutkauf – was uns die Chance gibt, mitzuhalten“, er­klärt Wilhelm Naß und betont, die integrierte Metzgerei sei je­doch weiterhin ein Familien­betrieb. Geschlachtet werde in Mengsberg zwar nicht mehr, weil die Auflagen zu hoch sei­en und der Betrieb nicht mehr wirtschaftlich wäre. „Aber wir bekommen geschlachtete Wa­re geliefert und machen unse­re Wurst selber – mit Ausnahme von Salami und Geflügelwurst“, erläutert der 55-Jährige, der das Geschäft von Vater Heinrich (82) übernommen hat.

Der Senior werkelt jedoch wei­terhin im Hintergrund. Seine Spezialität ist Schwälmer Wurst, zudem hat er sich als Grillmeis­ter schlechthin einen Namen gemacht: Ausgerüstet mit Grills der Marke Eigenbau – ein bla­sender Staubsauger und eine Autobatterie sind essentielle Be­standteile – bereitet er bei Fes­ten vom Hammel über Spieß­braten bis hin zu Spanferkeln al­les zu, was sich Fleischliebhaber wünschen.

Wechsel zwischen Heinrich und Wilhelm wird enden

Doch das Lebensmittel­geschäft ist auch noch „Pick-up-Stelle“ für Medikamente, ein Pa­ket-Shop und ein Treffpunkt, denn im Getränkelager war­tet eine Art kleiner Cafeteria auf Gäste – die ihren Kaffee auch gerne einmal kostenlos genie­ßen dürfen. Es ist eben alles ein bisschen familiärer in Mengs­berg.

Apropos Familie: Die Familie Naß zählt zu den „Ureinwoh­nern“ Mengsbergs. Der Stamm­baum lässt sich bis ins 15. Jahr­hundert zurückverfolgen. Eine Veränderung ist allerdings si­cher: Waren in der Vergangen­heit immer Heinriche und Wil­helme im Wechsel Geschäfts­führer, so wird diese Serie in ferner Zukunft reißen: „Ich ha­be eben zwei Töchter und keine

Söhne“, erläutert Wilhelm Naß mit einem Schmunzeln.

Sicher ist jedoch, dass er die Bundesjury vom Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ eben­so wie die Jury des Landesent­scheides während ihres Gan­ges durch das Dorf mit rauch­frischen Pfefferbeißern ver­sorgt. Diese Aktion organisiere er gerne, betont der 55-Jährige, schließlich habe die Teilnah­me am Wettbewerb auch posi­tiven Einfluss auf sein Geschäft: „Es kommen wieder mehr Kun­den. Die Menschen haben ge­merkt, dass unser Dorf nur Zu­kunft hat, wenn sie auch die lo­kalen Geschäfte nutzen.“

Nicht minder wichtig für die Attraktivität des Dorfes sind natürlich Kindergarten und Grundschule, die sich auch wie­der in den Wettbewerb einbrin­gen. Allen voran die von El­len Staufenberg (51) angelei­tete Mundart AG. Zwar sei es kein echtes Mengsberger Platt, das sie vermittele, dafür jedoch ein „Schwälmer-Platt-Mischmasch“. Hauptsache sei, dass Mundart nicht aussterbe. Zu­dem ist es immer gut, der Bun­desjury die Besonderheiten der Region zu präsentieren. Aber das sollte für die Mengsberger ohnehin kein Problem sein.