Großes Interesse an Informationsveranstaltung zur künftigen Neustädter Erstaufnahmeeinrichtung
540 Stühle hatte die Stadt gestern vorsorglich im Haus der Begegnung gestellt, exakt 440 Besucher kamen bis 20 Uhr zur Informationsveranstaltung über die künftige Flüchtlingsunterkunft.
von Michael Rinde
Neustadt. Die Stimmung unter den Zuhörern war gestern positiv und aufgeschlossen, wie sich am langen Applaus der Zuhörer nach den drei einleitenden Vorträgen zeigte. Nach knapp einer Stunde waren Bürgermeister Thomas Groll, Regierungspräsident Dr. Lars Witteck und Elke Weppler mit ihren Ausführungen am Ende. Elke Weppler ist die Leiterin der hessischen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Gießen. Gleich die erste Frage von Stadtrat Manfred Schmidt aus Momberg brachte eine weitere klare Aussage: Witteck will die frühere Ernst-Mo- ritz-Arndt-Kaserne längerfristig nutzen. „Wer glaubt, Ostern 2016 wäre alles vorbei, irrt“, sagte Witteck. Das Land investiert rund zehn Millionen Euro, um die alten Bundeswehrgebäude für Flüchtlingsunterbringung und Betreuung nutzen zu können.
Zuvor hatten Groll wie auch Witteck sowohl informiert als auch Position bezogen. Groll hatte noch einmal unterstrichen, was für eine Herausforderung die Pläne des Landes für die Kleinstadt bedeuten. Und er hatte Forderungen wiederholt, unter anderem nach finanzieller Unterstützung für die Stadt wie auch nach einem Sicherheitskonzept für Polizei und Feuerwehr. Laut Witteck sollen zunächst die Polizeistationen in Stadtallendorf, Schwalmstadt und Alsfeld gemeinsam eine Planung erstellen, die eine ständige Präsenz der Polizei rund um die Erstaufnahmeeinrichtung ermöglicht, um „das Sicherheitsgefühl in Neustadt zu erhalten“, wie Witteck es formulierte. Hinzu kommen bei Bedarf Beamte der Bereitschaftspolizei. Allerdings gebe es noch keine Zusage des Landespolizeipräsidenten, die Polizeistation Stadtallendorf personell aufzustocken. Neustadts Bürgermeister hatte das in seinem Eingangsstatement unter anderem konkret gefordert. „Natürlich haben die Pläne des Landes keine Jubelstürme ausgelöst“, machte Groll klar. Die jetzt anstehenden Herausforderungen könnten von Land und Stadt nur partnerschaftlich gelöst werden, was sich aus seiner Sicht aber klar abzeichnet. Von den Neustädtern erwarte er Toleranz. „Seid ordentliche Gäste“, formulierte er aber zugleich in Richtung der künftigen Flüchtlinge. Konkrete Zusagen machte Regierungspräsident für die Ausstattung der Feuerwehr. Sie soll unter anderem ein Spezialfahrzeug der Landesfeuerwehrschule erhalten, auch ein weiteres Fahrzeug soll noch dieses Jahr vom Land mitfinanziert werden. Außerdem zahlt das Land eine zusätzliche Stelle in der Stadtverwaltung, da Flüchtlinge dort ins Melderegister eingetragen werden.
Etwa 300 Flüchtlinge müssen in Zelten leben
Witteck machte erneut klar, dass die Kapazitäten der Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen längst erschöpft sind. Rund 300 Flüchtlinge müssen trotz aller Bemühungen derzeit in Zelten Unterkommen – ein Zustand, den Witteck unter allen Umständen schnell beenden will. Allein im Januar wurden in Gießen und den dazugehörigen Außenstellen 3 728 Flüchtlinge neu registriert.
In Neustadt soll die künftige Erstaufnahmeeinrichtung vom Unternehmen European Healthcare betrieben werden, ein Unternehmen, mit dem das Regierungspräsidium laut Witteck bisher gute Erfahrungen hat – trotz in Nordrhein-Westfalen aufgetretener Probleme. Der Betreiber werde keine hoheitlichen Aufgaben wahrnehmen, erläuterte Witteck. An den Sicherheitsdienst, den es auch in Neustadt geben wird, werde das Regierungspräsidium hohe Anforderungen stellen. Der Sicherheitsdienst soll zum einen ungebetene Besucher von der Erstaufnahmeeinrichtung fernhalten. Zugleich soll er aber auch Konflikte unter den Flüchtlingen schlichten. „Konflikte gibt es, wenn Sie so viele Menschen zusammenpferchen“, sagte Witteck. Elke Weppler kündigte von Beginn an eine intensive soziale Betreuung der ankommenden Flüchtlinge an. Weppler unterstrich dabei die besondere Bedeutung der Kinderbetreuung. „Kinder stehen nach der Flucht unter besonderem Stress“, machte sie klar. Wie auch in Gießen baut das Land in Neustadt in den nächsten Monaten eine ärztliche Betreuung für ankommende Flüchtlinge auf. Viele Flüchtlinge seien teilweise sehr krank, erläuterte Weppler die Gießener Erfahrungen. Vor und im Haus der Begegnung war gestern Abend Polizei präsent. „Wir wollen sicherstellen, dass es keine Störungen bei der Veranstaltung gibt“, sagte Heinz Frank, Leiter der Polizeistation Stadtallendorf angesichts einer NPD-Facebookseite. Störungen der Veranstaltung, die bis etwa 21 Uhr dauerte, gab es aber nicht.