FWG-Antrag sorgt in Neustadts Parlament für ungewohnte Auseinandersetzungen
Von Florian Lerchbacher
Neustadt. Eigentlich fanden Neustadts Stadtverordnete einen Antrag der FWG gar nicht so schlecht, dennoch gab es während der letzten Sitzung des Jahres 2021 erstmals seit Langem wieder Streit – in dessen Verlauf Bürgermeister Thomas Groll (CDU) der Fraktion sogar Populismus vorwarf.
Die Freien Wähler hatten den Magistrat beauftragen wollen, eine Energie- und Klimaförderrichtlinie auf den Weg zu bringen – mit dem Ziel, das Engagement der Bürger in Sachen Klimaschutz zu unterstützen und beispielsweise den Kauf von Photovoltaik- oder Solarthermieanlagen zu fördern.
Als Beispiel solle die Richtlinie der Stadt Alsfeld dienen, hatte Fraktionsvorsitzender Karsten Gehmlich in seinem Antrag geschrieben und in der Stadtverordnetenversammlung dann vorgeschlagen, 30 000 Euro im Haushalt 2022 bereitzustellen. Er verwies dabei auf die Analyse eines Experten, der den Neustädtern mitgeteilt hatte, dass im privaten Wohnbereich großes Potenzial zum Energiesparen beziehungsweise für CO2-Einsparungen bestehe.
Doch zu diesem Zeitpunkt war das Kind bereits in den Brunnen gefallen. Die Stadtverordneten von CDU und SPD hatten dem Antrag bereits im Fachausschuss II die Unterstützung verweigert, was Gehmlich zu dem Vorwurf brachte, sie hätten nur Vorwände genannt, aber keine Argumente gegen den Antrag gebracht. Doch das war auch gar nicht deren Anliegen, wie sich in den folgenden Redebeiträgen zeigte.
Hans-Dieter Georgi (CDU) sagte: „Natürlich sind wir uns einig, dass wir alle für den Klimaschutz eintreten und etwas tun müssen. Aber der Antrag erscheint mir etwas verfrüht.“ Es seien auch nach einer Analyse durch eine Energieeffizienzagentur noch zu viele Fragen offen, und es gelte, die Ergebnisse auswerten zu lassen – von Fachleuten.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende verwies dabei auf die geplante interkommunale Zusammenarbeit und das resultierende Einstellen von zwei Klimaschutzmanagern. Es gelte, weiter konzeptionell vorzugehen und als Erstes die Experten einzustellen, bevor die nächsten Schritte gegangen werden.
Hans-Gerhard Gatzweiler (SPD) pflichtete dem Christdemokraten bei. Er erinnerte auch daran, dass Neustadt von der EAM zur Modellkommune in Sachen Energiewende auserkoren worden sei – die Arbeit in diesem Zusammenhang erst begonnen habe und weiter schrittweise vorgegangen werden solle. Außerdem sollte abgewartet werden, was die neue Regierung bei dieser Thematik auf den Weg bringt und welche Fördermöglichkeiten entstehen. „Uns fehlen also noch wichtige Informationen für das Einstellen der Stellschrauben.“ Der FWG-Antrag sei insgesamt gut und richtig, komme aber zum falschen Zeitpunkt.
Bürgermeister Groll kommentierte, die FWG habe es sich zu einfach gemacht. Die Freien Wähler hätten etwas über die Alsfelder Richtlinien gelesen und dann den Antrag formuliert – zunächst, ohne zu erklären, woher die notwendigen Ressourcen kommen sollten und wie hoch die Unterstützung der Bürger ausfallen könnte. Und schon gar nicht darüber nachgedacht, wer sich im Rathaus um das Entwickeln einer Richtlinie kümmern sollte. „So nebenher lässt sich so etwas nicht entwickeln.“ Sein Eindruck sei, die FWG hoffe, dass „die anderen“ den Antrag ablehnten und sie sich als Klimaretter in Neustadt darstellen könnten.
Gehmlich warf dem Rathauschef daraufhin Stimmungsmache vor und blieb bei der Einstellung, dass auch vor dem Einstellen von Klimamanagern eine solche Richtlinie sinnvoll auf den Weg zu bringen sei. „Wenn Sie etwas wollen, finden Sie doch sonst auch immer Mittel und Wege“, ärgerte er sich in Richtung Groll – dem daraufhin der Kragen platzte. In der kleinen Verwaltung seien die Mitarbeiter hochengagiert und würden es schaffen, Millionenprojekte umzusetzen. Er verbitte es sich daher, dass an ihnen Kritik geübt werde.
Letztendlich sprach sich nur die FWG für den Antrag aus, CDU und SPD stimmten dagegen. Kurioserweise stand direkt als Nächstes die Entscheidung über die „Einrichtung eines interkommunalen Klimaschutzmanagements“ an. Zum 1. Juli 2022 wollen Neustadt, Amöneburg, Rauschenberg, Kirchhain und Wohratal gemeinsam zwei Klimaschutzmanager beziehungsweise -managerinnen einstellen. Die 150 000 Euro pro Jahr teilen sich die Kommunen, die zwei Jahre lang Fördermittel dafür bekommen – aber auch danach die Stellen beibehalten wollen, wie sich im Parlament zeigte.