Land zeichnet den Bürgerverein aus

„Wir für uns“ Neustadt wird für sein soziales Engagement gewürdigt
Von Florian Lerchbacher
Neustadt. „Mit der Landesauszeichnung ‚Soziales Bürgerengagement‘ würdigen wir Hessinnen und Hessen, die sich in unserem Gemeinwesen in besonderer Art und Weise sozial engagieren, Verantwortung übernehmen und sich um die Schwächeren unserer Gesellschaft kümmern“, sagt Kai Klose, der hessische Minister für Soziales und Integration. Acht Einzelpersonen und elf Vereine erhielten in diesem Jahr die seit 2003 verliehene Auszeichnung – darunter der eigentlich noch sehr junge Neustädter Bürgerverein „Wir für uns“, der in seiner verhältnismäßig kurzen Existenz das soziale Leben in der Stadt aber bereits stark geprägt hat. Und das, obwohl die Neustädter ihr Angebot bisher vornehmlich in Pandemiezeiten, also unter stark erschwerten Bedingungen etablieren mussten.

„Mich freut, dass die Arbeit in seiner gesamten Breite honoriert wird. So einen Preis bekommt man vom Land ja nicht alle Tage“, kommentiert Vereinsvorsitzender Dieter Trümpert die Auszeichnung, zu der neben einer Skulptur noch ein „Dankeschön“ in Höhe von 500 Euro gehört. Die Würdigung sei umso schöner, da der Verein noch kaum drei Jahre alt sei, ergänzt er und stellt heraus: „Ich kann mich bei all den Aktiven nur bedanken, denn ohne ihr Engagement wäre das alles nicht möglich. Und dem Vorstandsteam und den Abteilungsleitern möchte ich auch ein großes Lob aussprechen“, so Trümpert. Die Arbeit des Vereins werde immer nachhaltiger und besser. Es gelte aber nun natürlich, sich nicht auf den Lorbeeren auszuruhen, sondern genau so weiterzumachen.

Der Bürgerverein „Wir für uns“ hat mehrere Abteilungen – und rund 200 Mitglieder. Als Erstes brachte ein Team um Gerd Leißner den Bürgerbus auf die Straße, der dienstags und donnerstags zwischen Neustadt und den Stadtteilen verkehrt – für Mitfahrende völlig kostenfrei. „Wir entscheiden derzeit mit Blick auf die Pandemie immer wieder von Neuem, ob wir das Angebot aufrechterhalten können oder zwischenzeitlich besser ruhen lassen sollten“, sagt Trümpert und berichtet, dass die 2G-Regel zur Anwendung kommt und die Fahrer das Fahrzeug nach jeder Tour desinfizieren. Durch Corona sei die Nachfrage etwas zurückgegangen, steigt aber langsam wieder an. „Wir hoffen, dass auch junge Menschen unser Angebot in Anspruch nehmen – denn es nicht nur für Senioren gedacht, wie viele Leute noch immer denken. Es ist für alle, nicht für die Alten“, erklärt der Vereinsvorsitzende und verweist darauf, dass der Verein jetzt auch zwei „Babysafes“ angeschafft habe und somit auch junge Mütter oder Väter problemlos mit ihren Kindern mitfahren könnten.

Freitags sorgen die Bürgerbus-Fahrer dafür, dass bedürftige Jungen und Mädchen aus Neustadt das Angebot der Kindertafel in Stadtallendorf in Anspruch nehmen können – mal, indem sie die Kids in die Nachbarstadt fahren, mal, indem sie Essenspakete in die Junker-Hansen-Stadt holen. Zudem fanden/finden Sammelaktionen für die Kindertafel und das Tierheim in Alsfeld statt.

Derzeit ruhen muss indes der Mittagstisch in Speckswinkel, der aus einer Initiative im Dorf entstanden war und später in die Obhut des Bürgervereins überging. „Wir würden das gerne wieder aufbauen, aber es macht in Pandemie-Zeiten einfach keinen Sinn. Es geht schließlich nur zweitrangig um das Essen: Im Vordergrund soll das soziale Miteinander stehen. Aber das ist ja derzeit leider nicht bedenkenlos möglich, da vornehmlich Seniorinnen und Senioren den Mittagstisch besuchten“, sagt Trümpert. Das gilt auch für das Begegnungscafé, das sich großer Beliebtheit erfreute – obwohl es nur wenige Male stattfinden konnte.

Die nächste Abteilung wächst derweil Stück für Stück: Die Pfadfindergruppen, die sich freitags treffen, seien gut nachgefragt, freut sich der Vorsitzende: „Raus in die Natur kommt gut an. Es ist schön zu sehen, wie die Kinder und Jugendlichen Handys und Videospiele völlig vergessen und die Natur erfahren.“ Problem sei allerdings, dass den Pfadfindern ein angemessener Veranstaltungsort fehle. Momentan treffen sie sich an der Waldschule, doch sie suchen noch immer einen festen Standort.

Herausragend ist aber natürlich auch die zum Verein gehörende Bürgerhilfe, in der sich derzeit rund 60 Ehrenamtler darum kümmern, dass Menschen Unterstützung bekommen. Mit niedrigschwelligen Angeboten sorgen sie dafür, die Hürden des Alltags zu überwinden und dafür zu sorgen, dass vor allem Seniorinnen und Senioren länger in den eigenen vier Wänden leben können. Sie helfen beispielsweise beim Einkaufen, beim Putzen oder bei Arztbesuchen – sprich: bei Aufgaben, die sich mit etwas Hilfe meistern lassen, sodass die Eigenständigkeit der Betroffenen erhalten werden kann. „Das ist ein ganz wichtiges Instrument“, stellt Trümpert heraus. Bisher nehmen rund 50 Menschen dieses Angebot in Anspruch.

Und die nächste Initiative ist auch schon in der Planung: Der Bürgerverein bringt einen Mitmachgarten auf den Weg, in dem „vom Kleinkind bis zum Senior“ jeder mitwirken und unter Anleitung „ein bisschen Landwirtschaft“ betreiben kann. „Von der Aussaat bis zum Verzehr“ lautet das Motto des Projektes, das Anfang März beginnen soll. Dreimal wöchentlich (montags von 9 bis 11 Uhr sowie mittwochs und freitags von 14 bis 16 Uhr) soll dann auf einer rund 80 Quadratmeter großen Nutzfläche auf dem „Aussiedlerhof“ gemeinsam mit Nicole Gies der Mitmachgarten bearbeitet werden.