Land bringt bis zu 700 Flüchtlinge unter

Voraussichtlich Ende März stehen die ersten drei früheren Kasernengebäude in Neustadt für die Aufnahme von Flüchtlingen bereit.

Neustadt. Bis Jahresende will das Regierungspräsidium Gießen den gesamten ehemaligen Wohnbereich der Neustädter Kaserne modernisiert haben. Dann sollen dort bis zu 700 Flüchtlinge untergebracht werden. Diese Angaben machte gestern Regierungspräsident Dr. Lars Witteck im Gespräch mit der Oberhessischen Presse. Ab Ende März sollen zunächst rund 300 Flüchtlinge in ersten hergerichteten Gebäuden eine Unterkunft finden.

Zug um Zug werden dann weitere Teile der ehemaligen Kaserne hergerichtet. Insgesamt will das Land 15 Gebäude sanieren und für Flüchtlinge nutzen. Neustadt erhält nach Abschluss der Modernisierung eine vollwertige Erstaufnahmeeinrichtung für ankommende Flüchtlinge aus aller Welt – keine Außenstelle. Dadurch ist es möglich, dass Flüchtlinge dort auch direkt Asylanträge stellen können. Ein Pendelverkehr zur Gießener Einrichtung ist dadurch nur in der Anfangsphase nötig.

10,2 Millionen Euro hat die Landesregierung für Modernisierung und Betrieb der früheren Kasernengebäude bewilligt. Insgesamt will das Land 54 Millionen Euro zusätzlich bereitstellen, der Löwenanteil ist für die Nutzung der früheren Büdinger Kaserne vorgesehen.

Regierungspräsident Witteck geht davon, dass das Land die Liegenschaft mehrere Jahre für Flüchtlinge benötigen wird.

Flüchtlinge stellen Asylanträge bald in Neustadt

Am 26. Februar gibt es eine Informationsveranstaltung zur geplanten Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Neustadt, kündigt Bürgermeister Thomas Groll an.

Die frühere Neustädter Kaserne wird ab Ende März zu einem Teil wieder genutzt. Die Energieversorgung wurde bereits wiederhergestellt.

von Michael Rinde

Neustadt. Dass Neustadt eine vollständige Erstaufnahmeeinrichtung des Landes wird, habe einige Vorteile, erklärt Regierungspräsident Dr. Lars Witteck gegenüber der OP. „So ist es dort möglich, Asylanträge zu stellen. Flüchtlinge müssen nicht mehr mit Bussen zwischen Neustadt und Gießen hin- und her transportiert werden“, sagt Witteck.

Genutzt wird nur der frühere Unterkunfts- und Verwaltungsteil der ehemaligen Ernst-Moritz-Arndt-Kaserne, die seit Mitte 2013 leer steht. Ein Zaun wird den früheren Technikbereich und den an Unternehmen weiterverkauften Abschnitt der ehemaligen Kaserne von den künftigen Flüchtlingsunterkünften und Versorgungsgebäuden abtrennen. Etwa 300 Flüchtlinge sollen zunächst in den vorderen Unterkunftsgebäuden nahe der Pforte unterkommen. Außerdem will die Gießener Behörde die ehemalige Bundeswehr-Kantine wieder in Betrieb nehmen. Auch die frühere medizinische Station der Kaserne wird dann wieder genutzt.

Zwischen 100 und 150 Menschen werden in der zukünftigen Erstaufnahmeeinrichtung in Neustadt arbeiten. Dazu zählen auch Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge wie auch des Regierungspräsidiums. Hinzu kommen Angestellte von Dienstleistungsunternehmen, die beispielsweise Reinigungsarbeiten übernehmen, die Versorgung und soziale Betreuung. Derzeit koordiniert ein Arbeitsstab im RP sämtliche Aktivitäten in Sachen Unterkunft. Engen Kontakt gibt es laut Witteck auch mit verschiedenen Polizeibehörden, Rettungsdiensten und Feuerwehren, um das nötige Sicherheitskonzept zu erstellen.

Welche Flüchtlinge aus welchen Ländern für jeweils vier bis sechs Wochen nach Neustadt kommen werden, ist offenbar nicht vorherzusagen. Da in Neustadt eine vollwertige Erstaufnahmeeinrichtung entsteht, wird sie Teil des bundesweiten Verteilsystems für Flüchtlinge. Der Einfluss der Gießener Behörde auf die Nationalität der Flüchtlinge oder auf die Frage, ob vor allem Familien oder Einzelpersonen in der früheren Kaserne unterkommen, wäre demnach begrenzt. „Wir werden aber alles tun, um die Kleinstadt Neustadt nicht über Gebühr zu belasten“, sagt Regierungspräsident Witteck.

Am 26. Februar wird es die angekündigte Informationsveranstaltung in Neustadt geben. Das teilte Bürgermeister Thomas Groll (CDU) am Donnerstag im Gespräch mit der OP mit. Auf dem Podium werden Regierungspräsident Witteck, Elke Weppler, Leiterin der Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen, und Bürgermeister Groll sitzen.

„Das ist das, was sich abgezeichnet hat“, erklärte Groll am Donnerstag zu den Neuigkeiten aus Gießen. Bei einer Mehrheit der Neustädter Bevölkerung zeige sich die Meinung, dass angesichts der weltweiten Krisensituationen es besser sei, Flüchtlinge in der leeren Kaserne als in Containern oder Zelten unterzubringen. „Aber es gibt auch viele Fragen, Sorgen und vereinzelt auch Ängste, weshalb diese Informationsveranstaltung sehr wichtig ist“, sagt Groll. Dort wird wie zuletzt auch in Büdingen die Möglichkeit bestehen, Fragen an die Personen auf dem Podium zu richten.

Groll erneuert seine Forderung, das Land wie auch das Regierungspräsidium müssten die Stadt Neustadt nun im Gegenzug verstärkt unterstützen. Entsprechende Forderungen habe er auch in einem ersten Schreiben an die Landesregierung formuliert. Konkret spricht Groll die Schaffung von Arbeitsplätzen und Investitionen, die in Neustadt und der Region bleiben sollen, an. Bei der Modernisierung der früheren Kasernengebäude müssten Neustädter Unternehmen besonders berücksichtigt werden. „Wo wir etwas für die Stadt tun können, werden wir uns darum bemühen“, erklärt Regierungspräsident Witteck, mit den Forderungen des Neustädter Bürgermeisters konfrontiert. Gegenüber der OP verwies er erneut auf die zusätzlichen Schlüsselzuweisungen, die der Stadt angesichts von bis zu 700 Flüchtlingen zustehen werden. Groll hatte vorgerechnet, dass sich die Neustädter Bevölkerung um bis zu 15 Prozent erhöhen wird.

Witteck betont, dass sich seine Behörde darum bemühe, Bauaufträge an Firmen in der Region zu vergeben. „Natürlich gibt es durch das Vergaberecht Grenzen, die auch wir nicht außer Acht lassen dürfen“, schränkt er dabei ein. Auch bei den entstehenden Arbeitsplätzen, etwa bei Reinigungsarbeiten oder der Essensversorgung, erwartet Witteck, dass ein erheblicher Teil der Arbeitsplätze für Menschen aus der Region entstehen wird.

Wie lange das Land diesen Teil der ehemaligen Ernst-Moritz-Arndt-Kaserne nutzen wird, vermag im Regierungspräsidium keiner zu prognostizieren. Von Übergangslösung spricht dort derzeit keiner mehr. „Wie lange wir die früheren Kasernengebäude brauchen werden, lässt sich noch nicht vorhersagen. Wir rechnen mit mehreren Jahren angesichts der zu erwartenden Flüchtlingszahlen“, erklärte dazu Regierungspräsident Witteck.

Die Informationsveranstaltung am 26. Februar beginnt um 19 Uhr im Haus der Begegnung.