Jury des Europäischen Dorferneuerungspreises nimmt morgen zwischen 16 und 20 Uhr das Dorf unter d
Europa kann kommen: Am Wochenende putzten die Mengsberger ihr Dorf noch einmal heraus für den morgen anstehenden Besuch der Jury des Europäischen Dorferneuerungspreises.
von Florian Lerchbacher
Mengsberg. Das kleine Dorf am östlichen Rande des Landkreises Marburg-Biedenkopf kommt aus dem Feiern nicht heraus: Am Wochenende nahmen die Fußballer des TSV Mengsberg im letzten Heimspiel der Saison die Meisterschale für den Gewinn der Gruppenliga Kassel entgegen. Morgen nun steht der nächste Höhepunkt an: Zwischen 16 und 20 Uhr nehmen die drei Mitglieder der Jury des Europäischen Dorferneuerungspreises den Neustädter Stadtteil unter die Lupe.
Dafür haben die Mengsberger ihre Präsentation, die sie während ihrer dreijährigen Erfolgstournee durch den deutschen Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ stets weiterentwickelten, noch einmal überarbeitet. „Früher arbeiteten wir verschiedene Themenbereiche wie Natur, Bauwerke oder die Zusammenarbeit im Dorf separat ab, nun gehen sie eher ineinander über. Entsprechend liegen die Schwerpunkte anders“, erklärt Ortsvorsteher Karlheinz Kurz.
Insgesamt 29 Dörfer aus 12 Ländern nimmt die Europa-Jury in Augenschein. „Bewertet wird, wie das teilnehmende Gemeinwesen auf die am Beginn des Entwicklungsprozesses festgestellten Stärken und Schwächen sowie internen und externen Gefahren und Chancen reagiert hat“, heißt es etwas sperrig in einer Pressemitteilung zum Dorferneuerungswettbewerb. Die Mengsberger gehen in diesem Zusammenhang unter anderem auf die veränderte Einstellung der Menschen gegenüber erneuerbaren Energien und die örtlichen Planungen für eine Versorgung mit Nahwärme ein, widmen sich dem demografischen Wandel sowie ihren Projekten rund um das Zusammenleben im Dorf und stellen ihr Engagement für Kinder in den Vordergrund.
Hielten sie bei den vergangenen Präsentationen ihrer Heimat die Theorie eher knapp, so ist sie diesmal sogar gefordert. Entsprechend beginnt der Dorfbegang zwar mit dem vom Frauenchor gesungenen Mengsberg-Lied und einer Aufführung der Platt AG an der Grundschule, dann jedoch müssen die Moderatoren die Jury innerhalb von 45 Minuten anhand von Tafeln über den Neustädter Stadtteil und seine Besonderheiten informieren. „Danach wollen wir der Jury zeigen, was wir ihr davor erklärt haben“, sagt Kurz. Zum Rundgang gehören entsprechend wieder Stationen wie das riesige Sportgelände, der Kinderwald, der Naturlehrpfad oder die Streuobstwiese. Während einer Powerpoint-Präsentation rücken dann erneut die Zukunftspläne wie die Nahwärmeversorgung oder der Ausbau einer alten Scheune zur Spielscheune mit angrenzendem „grünen Klassenzimmer“ (die OP berichtete) in den Mittelpunkt.
Auf die Theorie folgt wieder die Praxis, wenn’s ans Backhaus geht, wo der Frauenstammtisch die Teilnehmer und die Zuschauer des Rundgangs mit der Schwärmer Spezialität „Platz“ verwöhnt. In der Kirche trägt der eigens für den morgigen Tag vom Männergesangverein initiierte Projektchor zwei Lieder vor. Auf dem Weg zum Lindenplatz sorgt Metzger Wilhelm Naß mit seiner Europawurst für eine weitere Stärkung, ehe dann die Jury – so ist es in Mengsberg inzwischen
Tradition – neben der Zukunfts-, der Landes- und der Bundeslinde sowie der ausgestellten Goldmedaille des Bundeswettbewerbes eine Europalinde pflanzen darf. „Wir wollen schließlich, dass die Mengsberger auch in vielen Jahren noch über unsere Erfolgsstory reden – so wie die anlässlich des 100. Geburtstages von Kaiser Wilhelm I. gepflanzte Kaiserlinde noch immer für Gesprächsstoff sorgt“, ergänzt der Ortsvorsteher. Im Anschluss heißt es für die meisten Mengsberger feiern an der Grillhütte, während die Moderatoren des Dorfbegangs der Jury noch einmal für 30 bis 45 Minuten Rede und Antwort stehen müssen.
„Wir sind hervorragend vorbereitet“, berichtet Kurz. Am Wochenende erledigten fast 50 Freiwillige letzte Pflegearbeiten an markanten Stellen wie dem Ehrenmal, dem Teich, der Grillhütte oder dem Kinderwald, den die Waldinteressenten noch einmal mit verschiedenen geschnitzten Figuren bereicherten. Auf die Reinigungsaktion folgte die Generalprobe für. den morgigen Tag – die allerdings rund sechs Stunden und Anspruch nehmen darf. „Manches lief eben nicht so, wie wir es uns vorgestellt hatten, und einiges dauerte zu lange. Daher haben wir verschiedene Punkte noch einmal umgestellt, aber jetzt ist alles bestens, und die Jury kann kommen“, fasst Kurz zusammen.
Nervös ist er trotzdem – und zwar weitaus mehr, als vor den Jurybesuchen der vergangenen Jahre: „Ich weiß auch nicht, warum aber auch Künstler, die seit 25 Jahren auf der Bühne stehen, haben immer noch Lampenfieber. Hauptsache ist, dass es weg ist, wenn’s losgeht.“
Sicher ist jedenfalls, dass wieder Hunderte Bürger hinter ihm und den inzwischen 42 Moderatoren stehen und ihnen den Rücken stärken werden – mindestens 200 tragen dann auch ein grünes Mengsberg-Shirt. Ebenfalls sicher ist, dass die Dorfgemeinschaft immer weiter zusammenwächst und sich immer mehr Mengsberger engagieren – entweder in der unmittelbaren Vorbereitung und der Umsetzung des Wettbewerb-Beitrages oder schlicht dadurch, dass auch sie inzwischen kleine Handgriffe selbst erledigen, wie Kurz betont: „Ich habe zum Beispiel auf dem Friedhof beobachtet, dass Menschen Unkraut entfernen, wenn sie welches entdecken. Sie achten jetzt mehr auf ihre Heimat und das Äußere – das finde ich toll.“ Und so gewinnt Mengsberg immer mehr – egal, wie am 12. September das Urteil der Europa-Jury lautet.
Das rund 900 Einwohner zählende Mengsberg schrieb in den vergangenen Jahren eine beispiellose Erfolgsgeschichte: 2011 gewann es den Regionalentscheid des Wettbewerbes „Unser Dorf hat Zukunft“, ein Jahr später trug es den Sieg beim Landesentscheid davon. 2013 nahm es dann als eines von 24 von ursprünglich 2 589 Dörfern am Bundesentscheid teil – und errang eine von acht Goldmedaillen.
Danach wählte das Land Hessen Mengsberg als seinen Vertreter für den Europawettbewerb aus, den die Europäische ARGE Landentwicklung seit 1990 im Zweijahresrhythmus auslobt. 29 Dörfer aus 12 Ländern nehmen daran teil.
Morgen kommt die Jury von 16 bis 20 Uhr in den Neustädter Stadtteil. Sie besteht aus Beatrix Drago, Diplom-Ingenieurin für Architektur von der Bayerischen Verwaltung für ländliche Entwicklung München, Diplom-Ingenieur Hartwig Wetschko aus Kärnten (Österreich) und Helmuth Innerbichler, Bürgermeister der Gemeinde Sand in Taufers in Südtirol (Italien) – die im Jahr 2008 mit dem Europäischen Dorferneuerungspreis ausgezeichnet wurde.