Mengsberg: Mit Bioenergie gen Europa

 

Der Bundessieger möchte als Bioenergiedorf auf europäischer Bühne glänzen • Umsetzung ab Dezember

Das Gold-Dorf Mengsberg kommt aus dem Feiern nicht mehr heraus. Und aus dem Arbeiten auch nicht. Jetzt geht’s nach Europa!

von Matthias Mayer

Mengsberg. Gegen 11.30 Uhr erreichte der entscheidende An­ruf von Bürgermeister Thomas Groll den Ortsvorsteher. „Ich habe vor Freude eine Hechtrol­le geschlagen“, schilderte Karl-Heinz Kurz gegenüber der OP seine erste Reaktion auf die fro­he Botschaft: Das Land Hes­sen hat Mengsberg für die Teil­nahme am Europäischen Dorf­erneuerungspreis 2014 aus­gewählt.

Der Ortsvorsteher hatte nun das Problem, die Alarmkette in Gang zu setzen. Ein Feuerwehr­auto stand gestern nicht zur Ver­fügung und ein Läuten der Kir­chenglocken – wie beim Bun­dessieg am 26. Juni – war nicht verabredet worden. Also suchte Kurz das Lebensmittelgeschäft auf und gab der Betreiber-Fa­milie Nass den Auftrag, für die Weiterverbreitung der Nach­richt zu sorgen. „Die haben nur gejubelt und gerufen: Super, wir stehen voll dahinter!“

Das ist das richtige Stichwort, denn hinter den bisherigen drei Kampagnen stand die Dorf­gemeinschaft geschlossen. Was soll jetzt noch geschehen, damit Mengsberg nun nach der eu­ropäische Krone greifen kann? Karl-Heinz Kurz zögert mit der Antwort keine Sekunde: „Bio­energiedorf Mengsberg heißt das Schlagwort.“

Die Nachricht von der Europa-Nominierung kam zur rechten Zeit, denn heute werden Fach­leute der Firma Viessmann von der Mengsberger Bioenergie-Projektgruppe im Dorf erwartet. Die werden die Machbarkeits­studie vorstellen. „Ende Novem­ber werden wir die Studie bei ei­ner Bürgerversammlung vor­stellen und im Dezember geht es an die Arbeit“, sprüht Kurz voller Tatendrang.

Die Bioenergie-Pläne der Mengsberger sind für die Region beispiellos. Denn noch gibt es im Dorf weder eine Biogasanla­ge noch ein Holzhackschnitzel-Heizwerk als Wärmequelle für ein Nahwärmenetz. Und es gibt auch keinen Landwirt, der eine solche Anlage bauen und betrei­ben will. Trotzdem steht der Bau einer Biogasanlage – so Kurz -ganz oben auf der Agenda.

Was auf den ersten Blick ver­wegen klingt, bekommt durch die Details, die Karl-Heinz Kurz nennt, einen realistischen Hin­tergrund. Denn die Mensgberger haben einen Standort: ne­ben der Richtung Wiera gelege­nen Hähnchenmastanlage. Und dort liegt auch schon ein 40 000 Euro teurer Stromanschluss für eine solche Anlage. Die Dorf­gemeinschaft hat die verbindli­che Zusage von Landwirten, die

Biogasanlage mit den notwen­digen Substraten Silo-Mais und Gülle zu beliefern. Und es gibt Investoren aus dem Dorf, die bereit sind, 75 Prozent dieser Millionen-Investition zu finan­zieren. „Wir brauchen jetzt nur noch eine Landwirtsfamilie, die sich mit 25 Prozent beteiligt und die Biogasanlage betreibt“, gibt der Ortsvorsteher das Ziel vor.

Sollte dieses nicht verwirk­licht werden können, gibt es ei­nen Plan B: Eine auch im Winter hoch effiziente Solarthermie-anlage und ein Blockheizkraft­werk sollen dann für biologisch erzeugte Nahwärme sorgen.

Die Präsentation vor der Europa-Jury, die in der ersten Ju­ni-Woche 2014 nach Mengs­berg kommt, bereitet dem Orts­vorsteher kein Kopfzerbrechen. The same procedure as every year. „Das ist wie ein Theater­stück, das man immer wieder mal aufführt“, stellt Karl-Heinz Kurz gelassen fest.

Bislang ist der Vorhang nach den Mengsberger Zukunfts-In­szenierungen dreimal gefal­len – und jedes Mal folgte eine aufregende Zugabe. Die wird’s im Juni definitiv nicht geben. Denn ein World-Champion un­ter den besonders zukunftsfähi­gen Dörfern wird nicht gekürt. Was schade ist.