Stadt tritt mit Bürgern in Dialog – MNZ

Abwanderung aus Neustadt soll gestoppt werden / Groll: Mit Wohnqualität punkten
Von Olivia Heß
(0 64 28) 44 88 40
o.hess@mittelhessen.de
Neustadt. 11,6 Prozent seiner Einwohner verliert Neustadt bis 2020 – so die Prognose der Bertelsmann-Stiftung. Geburtenrückgang und Wegzug hinterlassen in der Stadt ihre Spuren: verwaiste Dorfkerne und leere Geschäftsräume. Ob sich diese Entwicklung aufhalten lässt? Bürgermeister Thomas Groll (CDU) weiß es nicht. Untätig dürfe Neustadt aber nicht sein, meint er. Ein Demografie-Dialog zwischen Politik und Bürgern soll erste Ideen bringen.
Neustadt für die Zukunft fit zu machen, sei ein langwieriger Prozess, sagt Groll. Denn der Stadt fehlt das Geld, um schnell viele Projekte umzusetzen. Am Anfang stehen deswegen erst einmal Gespräche. Die Bürger spielen dabei die Hauptrolle. Sie sollen sagen, wie ihre Heimatstadt lebenswerter wird.
Denn, da ist sich Groll sicher, wenn Neustadt die rund 9300 Bürger vom Wegziehen abhalten will, muss es durch eine hohe Wohnqualität punkten. Arbeitsplätze gebe es wenig. Und selbst wenn in der Kaserne sich bald Unternehmen ansiedeln, „werden das mal zehn bis 15 Arbeitsplätze sein“, schätzt Groll. Zum Arbeiten gehe es eben in die Ballungszentren Rhein-Main, Kassel, aber auch nach Gießen. „Ich bin acht Jahre lang ins Rhein-Main-Gebiet gependelt“, gibt sich Groll als Vorbild.
■ Kleinkinder sollen betreut werden und Senioren eigene Räume erhalten
Doch was macht die Wohnqualität in Neustadt aus? „Wir haben ein Hallenbad, ein Freizeitbad, ein reges Vereinsleben, viele Kindergärten und im Umkreis von zehn Kilometern drei Gymnasien“, wirbt der CDU-Politiker. Doch das dies allein nicht ausreicht, weiß auch Groll. Deswegen will die Stadt die Kinderbetreuung für unter Dreijährige ausbauen. Denn gerade junge Familien müssten in der ländlichen Region gehalten werden. Die Schüler der Gesamtschule Neustadt und der Grundschule Mengsberg/Momberg sollen in einem Ideenwettbewerb schildern, wie sie ihre Stadt in zwölf Jahren sehen.
Um den Senioren das Leben zu versüßen, denkt der Bürgermeister über betreutes Wohnen, Mittagstisch und Seniorenräume – analog zu Jugendräumen – nach. Zudem müsste gesichert sein, dass fußläufig alle Einkäufe zu erledigen seien. Und die Angebote der Seniorenarbeit sollen durch eine Projektgruppe auf ein jüngeres Fundament gestellt werden. „Wir erreichen die jungen Alten zwischen 50 und 65 Jahre nicht“, erklärt er.
Dann ist da noch das Problem mit den leer stehenden Gebäuden in den Dorfkernen. Für Speckswinkel soll deswegen ein Planungsgutachten erstellt werden, wie die Ortsmitte wiederbelebt werden kann. „Da müssen wir uns auch Gedanken machen, ob wir neue Baugebiete auf der grünen Wiese ausweisen oder die Ortskerne zum Wohnen attraktiv gestalten“, mahnt Groll.
Für diese Projekte haben die Stadtverordneten 10 000 Euro bereit gestellt. Bis zu 5000 Euro Zuschuss gibt es vom Land Hessen, rund 2700 Euro schießt der Landkreis zu.
Groll verspricht, über jede Idee nachzudenken, die ihm die Bürger vorlegen. „Eine Frau hat jetzt von einer Reise einen Tipp mitgebracht. Da gibt die Gemeinde alle drei Monate einen Veranstaltungskalender nur für Senioren heraus.“ So stellt sich Groll den Demografie-Dialog vor.