Trinitatis-Kirmes fällt aus

Angesichts der Coronakrise sagt Neustadts Magistrat das beliebte Volksfest im Marburger Land komplett ab
VON MICHAEL RINDE
NEUSTADT. Es war eine schwere Entscheidung, die Neustadts Magistrat am Mittwoch treffen musste. Bürgermeister Thomas Groll (CDU) sah angesichts der aktuellen Situation jedoch keine Alternative zur kompletten Absage der Neustädter Trinitatis-Kirmes in diesem Jahr. Sie hätte vom 4. bis 8. Juni stattfinden sollen. Eine durchaus historische Entscheidung. Denn wie die Kirmes-Chronik von Hans-Richard Krapp erklärt, wurde das Volksfest im Ersten Weltkrieg nicht als weltliches Fest gefeiert. Im Zweiten Weltkrieg offenbar nur in sehr bescheidenem Rahmen. Darauf weist Groll auf Nachfrage der OP hin.
Warum die Absage zum jetzigen Zeitpunkt? Man müsse davon ausgehen, dass es nach dem 19. April noch kein normales Leben in Deutschland geben werde. Denkbar sind in den nächsten Monaten selbst bei schrittweiser Aufhebung von Restriktionen unter anderem Schutzvorschriften für ältere Mitbürger und Menschen, die Risikogruppen angehören. „Bei so einer Situation können wir keinen Festzug gestalten oder einen Frühschoppen abhalten“, wird Groll deutlich. Er wolle sich nicht vorstellen, dass ältere Menschen am Eingang des Festzeltes aus Gründen des Gesundheitsschutzes abgewiesen werden müssten.
Ein Verschieben des Festes in den Herbst kam für den Magistrat auch nicht in Frage. Mit Verschiebungen der Kirmes hat die Stadt Neustadt auch schlechte Erfahrungen. Beim Hessentag in Stadtallendorf gab es bei der nachträglich ge – feierten Kirmes nur mäßiges Interesse. Groll spricht im Nachhinein sogar von einem Reinfall. „Traditionsfeste verschiebt man eben nicht“, spricht Groll also aus Erfahrung. Ob anlässlich des Kirchweihtermins dann zumindest wieder ein Gottesdienst gefeiert werden kann, bleibt abzuwarten.
Im Jahr 2021 soll es wieder eine Trinitatis-Kirmes geben. Das wäre dann das 517. Kirchweihfest in Neustadt. Dann will der Magistrat den hart getroffenen Schaustellern und Festwirten zumindest etwas unter die Arme greifen und ihnen die Hälfte der Standgebühren erlassen. Er habe Verständnis dafür, dass die gebeutelten Schausteller lieber spätere Entscheidungen über Absagen hätten. Doch auch die Stadt müsse ab einem gewissen Zeitpunkt Vorbereitungen für ein solches Fest treffen.
„Ich bin tieftraurig und bestürzt, aber es ist eben der medizinischen Situation geschuldet“, kommentiert Neustadts Pfarrer Andreas Riehl die Absage des Festes gegenüber der OP. Er schaut auch auf das nahende Osterfest, bei dem es keine Gottesdienste geben wird. „Es ist ein katastrophales Jahr“, sagt Riehl. Er hoffe, dass alle diese besondere Zeit gesundheitlich und wirtschaftlich überstünden.
Groll nutzt die Gelegenheit, auch an die Neustädter Vereine zu appellieren, die in den nächsten Monaten Jubiläumsfeiern planen. Das gilt zumindest für Termine bis einschließlich Juni. Er wisse, dass das keine leichte Entscheidung sei, räumt er ein. Doch werde Corona die Welt noch über Monate beschäftigen. Bei solchen Veranstaltungen kämen zudem auch viele ältere Mitbürger zusammen, die weiterhin besonderen Schutz bräuchten. Die Stadt Neustadt will Vereinen, die bereits Auslagen für ihre Feste hatten, finanziell helfen. Dabei setzt Groll auf Einzelfallentscheidungen.
Auch den Neustädter Ballsportvereinen will die Stadt Neustadt finanziell beistehen, sollte es keine entsprechenden Landeshilfen geben. Schließlich ruht der Spielbetrieb bei verschiedenen weiterlaufenden Kosten. Die Einzelheiten will der Magistrat nach Ostern in Gesprächen mit Betroffenen klären.