Unermüdlicher Kampf gegen die Fluten

Ein heftiges Unwetter setzte in der Nacht zu Dienstag ganze Straßen unter Wasser. Keller und Wohnungen wurden überflutet. Bürgermeister Groll verspricht, „noch einmal den Hochwasserschutz zu prüfen“.

von Nadine Weigel

Neustadt. 5 Uhr morgens. Kurt Hasselbach watet in Gummistiefeln durch seinen Flur. Das Wasser steht ihm fast bis zu den Knien. Die dreckige braune Brühe schwappt ihm um die Beine, als er die Schlafzimmertür öffnet. „Es kam von allen Seiten, binnen einer Viertelstunde stand das Wasser so hoch“, sagt der 53-Jährige und schüttelt fassungslos den Kopf.

Mit seiner Familie wohnt er in der Bismarckstraße direkt neben dem Otterbach. Der ist eigentlich nur ein kleines Rinnsal. Der Starkregen hat ihn jedoch zu einem reißenden Fluss anschwellen lassen. Der Garten der Hasselbachs steht unter Wasser – und auch von der Frontseite drückt das Wasser Richtung Haus. Denn die komplette Nellenburgstraße ist überflutet, die Wassermassen schießen in die etwas abschüssig liegende Bismarckstraße – bis ins Haus der Hasselbachs. „Wir sind eingekesselt“, sagt Sabine Hasselbach. Sie trägt die Tragödie mit Fassung und macht erst einmal Kaffee. „Der Schock für mich kommt wahrscheinlich erst, wenn das Wasser weg ist und ich die Sauerei wegputzen muss“, sagt die 50-Jährige und lacht.

Doch erst einmal sind Sabine und Kurt Hasselbach zum Abwarten verdammt. Die Feuerwehrleute, die bereits seit mehreren Stunden im Dauereinsatz sind, können bei ihnen noch nicht abpumpen. Dafür ist der äußere Wasserspiegel zu hoch. Ohnehin haben die Helfer bei den Nachbarn genug zu tun. In der Bismarckstraße und in der Nellenburgstraße sind zig Keller vollgelaufen. Auch der Edeka steht unter Wasser. Nacheinander arbeiten die Feuerwehrleute die Einsatzstellen ab. Mehr als 25 Einsätze werden es bis morgens sein.

„Die   ersten  Alarmmeldungen gingen so um 2 Uhr nachts ein“, erklärt Stadtbrandinspektor Erhard Wölk. Mehr als 60 Feuerwehrleute aus allen Stadtteilgemeinden sind im Einsatz. Manche von ihnen werden bis zum Dienstagmittag schuften, um die Lage unter Kontrolle zu bringen. „Die Stadt muss endlich mal was machen“, schimpft ein Mann, der sich mit Regenschirm und Gummistiefeln durch die Wassermassen in der Nellenburgstraße kämpft. „Die müssen doch endlich mal handeln“, fordert er – und stapft weiter.

Einige Anwohner machen ihrem Ärger Luft. Denn immer wieder ist Neustadt von Hochwassern betroffen. Das weiß auch Bürgermeister Thomas Groll. „Unsere Möglichkeiten sind da beschränkt“, entschuldigt er. 2012 hatte der Magistrat ein Gutachten zum Hochwasserschutz in Auftrag gegeben. Ergebnis: Der Bau von Rückhaltebecken und anderen Schutzmaßnahmen würde die Stadt rund drei Millionen Euro kosten. „Dafür haben wir keine Mittel frei“, bedauert Groll. Ohnehin sei dann nicht sicher, dass dieser Hochwasserschutz auch wirksam sei, wenn es so extrem und punktuell regnet. Meist sind andere Gebiete Neustadts von Hochwasser betroffen. „Die Schwerpunkte sonst sind Lehmkaute, Heidental und Marktstraße, aber die sind heute fast verschont geblieben“, sagt Stadtbrandinspektor Wölk. Das Wasser sei diesmal aus Richtung Arnshain über die Feldgemarkung gekommen und dann die Nellenburgstraße hinabgeflossen. „Was will man da machen?“, fragt sich Wölk und liefert gleich eine Antwort mit: „Die Kommune kann ja schlecht einen Wall um die ganze Stadt errichten“.

Bürgermeister Thomas Groll, der sich noch in der Nacht die Schäden angeschaut hat, will sich trotzdem „noch einmal Gedanken machen“. „Wir werden prüfen, ob wir kurzfristig etwas machen können“, verspricht er. So soll kontrolliert werden, dass Kanäle nicht versandet oder mit Büschen bewachsen sind, damit das Wasser bei Unwettern auch abfließen kann.