Pfarrerin Kerstin Kandziora hielt Anschwimmgottesdienst im Freibad
Von Florian Lerchbacher
Neustadt.
Ob die Mitglieder der Band „Kapelle Petra“ beim Aufnehmen von „Freibadpommes“ daran dachten, dass ihr Lied eines Tages während eines Gottesdienstes gespielt wird? Und dass rund 40 Gläubige samt einer Pfarrerin fröhlich versuchen, den Text mitzuträllern und vom „frittierten Gold in kleinen Schälchen“ und der im Schritt kneifenden Badehose singen?
Wahrscheinlich nicht. Aber wer hätte auch gedacht, dass Kerstin Kandziora eines Tages zum Beginn der Freibad-Saison in Neustadt zu einem Anschwimmgottesdienst einlädt? Eins ist jedenfalls sicher: Ein solcher Gottesdienst sucht seinesgleichen, passt aber zum Ansatz der evangelischen Pfarrerin. Diese sagt sich nämlich: Wenn immer weniger Gläubige in die Kirche kommen, dann muss die Kirche eben dahin gehen, wo die Menschen sind und sich mit den Themen auseinandersetzen, die sie beschäftigen.
Und was trägt Pfarrerin nun unterm Talar?
Vor einigen Wochen hatte sie entsprechend in der „Linde“ einen Abschiedsgottesdienst gehalten, als die Neustädter Kult-Kneipe für immer ihre Pforten schloss. Und nun ging’s eben ins Freibad, wo auch Menschen der Pfarrerin gebannt zuhörten, die sonst nicht unbedingt etwas mit Gottesdiensten am Hut haben. Denn Kandziora schaffte es, Religion mit Humor zu verbinden und rüberzubringen und gute Laune zu verbreiten – um nicht zu sagen: Sie bot rund 45 Minuten abwechslungsreicher Unterhaltung mit tiefsinnigem Hintergrund.
Dazu gehörte auch, als eine der ersten Aktionen ihren Talar zu lupfen und zu verraten, dass sie darunter Jeans und keinen Badeanzug trägt – und erst recht keinen Bikini. Und, dass angesichts der doch eher kühleren Temperaturen „Schneeflöckchen Weißröckchen“ auf die Playliste gepasst hätte – auf der sich sonst unter anderem „Pack die Badehose ein“ und „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer“ befanden. Und ein wenig Orgelmusik und Glockengeläut für den Beginn des Gottesdienstes.
Das Freibad – ein paradiesischer Ort der Vielfalt
Kandziora schwärmte davon, wie die Menschen in der „Karibik des kleinen Mannes“ die Natur, die Sonne, das Wasser oder eben die so typischen Freibadpommes genießen und Erholung finden können. Sie stellte aber auch heraus, wie wichtig ein solcher Ort für die Gemeinschaft der Menschen ist und bedauerte, dass – ebenso wie in der Kirche – im Vergleich zu früher die Zahl der Besucherinnen und Besucher geringer sei.
Ein Freibad sei ein Ort, der auch die Vielfalt der Gesellschaft zeige und in dem es eigentlich dazu gehöre, die anderen Menschen zu akzeptieren und respektieren. Wasser sei etwas, in dem Menschen sich lebendig fühlten – aus dem das Leben aber auch komme. Vor einiger Zeit habe sie Geflüchtete aus der Erstaufnahmeeinrichtung getroffen, die es kaum glauben konnten, dass es ein Becken voller Wasser gebe, das einfach dafür da sei, um darin Spaß zu haben. Ein Mann habe sich dann mit einer Gitarre ans Becken gesetzt und darauf gespielt. „Freude, Sommer, Sonne – das gehört doch zusammen“, sagte Kandziora und bedauerte, dass es Menschen gegeben habe, die über die Musik verärgert waren.
„Wasser ist ein wesentliches Element des Lebens. Ein Geschenk, das auch Leben spendet“, betonte sie. Ein Ort, „wo alles zusammenkommt“ – und wo paradiesische Zustände herrschen: „Wie stellen wir uns das Paradies denn vor? Wahrscheinlich nicht, wie das Neustädter Freibad, aber vielleicht ein bisschen.“ Und so schloss sie den Gottesdienst mit einem Gebet, in dem sie für Offenheit und Toleranz mit allen, die man trifft, betete. Und dafür, dass sich die Menschen mit Respekt begegneten und sich auch mit Respekt behandelten – und vor allem „das Leben um uns wahrnehmen und bewahren“.