Vorbeter vergleicht Neustadt mit Ferienort

Yusuf Cimen ist seit drei Wochen Imam in der Junker-Hansen-Stadt Zum Urlaubsparadies fehlt nur das Meer
Vor drei Wochen kam Yusuf Cimen aus Sakarya bei Istanbul nach Neustadt, um die Nachfolge von Nihat Kazel als Vorbeter der Türkisch-Islamischen Gemeinde anzutreten.
von Florian Lerchbacher
Neustadt. „Ich wollte Deutsehland kennen lernen“, antwortet Yusuf Cimen auf die Frage, warum er nach Neustadt gekommen ist. Alle vier Jahre wechselt der Vorbeter in den 867 Moscheen im Bundesgebiet. Die Entscheidungsgewalt liegt bei der türkischen Religionsbehörde, allerdings können die Gemeinden Wünsche äußern. „Wir wollten einen jungen Vorbeter, der nicht nur mit den Männern sondern auch mit Kindern und Frauen gut zurecht kommt. Den haben wir jetzt und sind zufrieden“, freut sich Oguz Yilmaz, der Vorsitzende der Türkisch-Islamischen Gemeinde Neustadt.
Doch nicht nur er und die 212 Mitglieder der Gemeinde sind zufrieden, auch Cimen ist glücklich – und das, obwohl seine Frau und seine beiden Söhne noch in der Heimat sind und der Unterschied zwischen Neustadt mit etwas mehr als 9 000 Einwohnern und Sakarya (allein im Zentrum leben rund 350 000 Menschen) riesig ist. „Hier ist es viel sauberer, grüner und bewaldeter als zu Hause. Der Park mit Teich und Pavillon und natürlich der Junker-Hansen-Turm sind sehr schön. Ich bin begeistert.“ Und dann geht der 44-Jährige noch einen Schritt weiter: „Neustadt ist wie ein Ferienort – nur das Meer fehlt.“
Zeit, dies zu genießen, ist derzeit allerdings nicht, denn der Terminkalender ist voll: Unter anderem besucht er Gemeinde-Mitglieder in Krankenhäusern, hat in den Ferien täglich drei Stunden lang 40 Kinder in der Koranschule und leiert Projekte an: Unter anderem plant er ein Fußballturnier. Hinzu kommen täglich fünf Gebete sowie die Vorbereitung einer längeren Rede, die er während des Freitagsgebets über Religion hält. Des Weiteren will Cimen den Kontakt zu Neustadts Pfarrern suchen, um den Austausch zwischen Christen und Muslimen zu fördern. „Der junge Vorstand der Gemeinde tut viel für die Integration“, lobt indes Bürgermeister Thomas Groll und zählt unter anderem die Teilnahme am Treffpunkt Marktplatz oder dem Kirmes-Umzug auf. „Wir fühlen uns als Neustädter – und zwar nicht nur die, die hier geboren wurden oder aufgewachsen sind“, betont Yilmaz.
„Ich möchte meinen Mitmenschen helfen, ihnen als Ansprechpartner zur Verfügung stehen und ihnen den Koran und anderes Wissen vermitteln“, gibt Cimen als Ziel aus. „Wir können ihm alles anvertrauen“, sagt Yilmaz und ergänzt: „Wenn mein Sohn etwas hat, über das er nicht mit mir reden will oder kann, dann findet er beim Vorbeter ein offenes Ohr und bekommt Rat“, sagt Oguz Yilmaz. Sohn Buhran und dessen Freund Emin Dogu pflichten ihm bei: „Der Imam ist sehr nett.“ Und leise fügen sie mit einem verschmitzten Grinsen hinzu: „Und auch nicht so streng wie sein Vorgänger.“
Aber Cimen möchte noch mehr sein als „nur“ Ansprechpartner für die 213 Mitglieder der Gemeinde oder die rund 450 in Neustadt lebenden Türken. Er möchte den Islam auch den Deutschen näher bringen oder zumindest das Verständnis für andere Religionen untereinander fördern. „Wenn die Christen das wollen, können sie gerne zu mir kommen und über den Islam, den Koran oder die Bibel sprechen – die Moschee steht ihnen 24 Stunden am Tag offen. Die Menschen verschiedener Religionen müssen Verständnis füreinander haben und sich besser kennen lernen.“