Gedenkveranstaltungen an mehreren Orten im Kreis / Neustadt plant 2024 Stolpersteine
Von Michael Rinde
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Neustadt. Vier Schülerinnen und Schüler der zehnten Klasse der Martin-von-Tours-Schule übernahmen eine besondere Rolle bei der Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nazi-Terrorregimes. Sie entzündeten Kerzen des Gedenkens am Neustädter Mahnmal, in direkter Nachbarschaft zum Rathaus. Später verlasen sie die Namen von 30 Jüdinnen und Juden aus Neustadt, die deportiert und zum größten Teil in Ghettos und Konzentrationslagern von Nazis ermordet wurden.
Konzentrationslager oder Ghetto in Riga
Zugleich erzählten sie Auszüge aus der Lebensgeschichte der früheren Mitbürger mit dem grauenvollen Schicksal. Diese sind auch im neuen Gedenkbuch enthalten; an dem Buch hatte Dr. Annegret Wenz-Haubfleisch vom Staatsarchiv in Marburg mitgewirkt.
Diese Art des Erinnerns findet seit 2020 statt. Seinerzeit wurde das vom Künstler Hans Schohl geschaffene Mahnmal für die ermordeten Jüdinnen und Juden aus Neustadt und Momberg der Öffentlichkeit übergeben. Auf diesem „Band der Erinnerung“, so der Titel des Mahnmals, wird alljährlich ein neues Gedenkbuch aufgelegt.
Diesmal wird an jene 30 Frauen, Männer und Kinder jüdischen Glaubens erinnert, die 1941/42 zunächst nach Roth und Fronhausen und dann nach Riga, Lublin und Theresienstadt verbracht wurden. Nur neun von ihnen überlebten.
Erinnerung an jüdisches Leben
Bürgermeister Thomas Groll hielt eine Gedenkansprache. Er betonte, dass sich in wenigen Tagen der 30. Januar 1933 zum 90. Mal jährt. An diesem Tag wurde Hitler zum Reichskanzler ernannt, der Tag der Machtübernahme der Nazis.
Hitler sei damals legal, ohne Putsch, an die Regierung gekommen, weil die Demokratie der Weimarer Republik zu instabil gewesen sei und zu viele versagt hätten. Groll zitierte unter anderem den Präsidenten der Frankfurter Eintracht, Peter Fischer, der dazu aufgerufen hatte, bei Rassismus nicht zu schweigen, sondern laut zu werden.
Neustadts Bürgermeister rief mit engagierten Worten dazu auf, sich aktiv für unser demokratisches Gemeinwesen zu engagieren. „Einigkeit und Recht und Freiheit werden uns nicht einfach auf Dauer geschenkt, dafür muss man eintreten“, so Thomas Groll. Er kündigte an, dass er 2024 die ersten Stolpersteine auch in Neustadt anstrebe. Mit Stolpersteinen, verlegt vom Künstler Gunter Demnig, wird insbesondere jüdischen Opfern, ermordeten wie deportierten oder vor dem Terror geflohenen Menschen, gedacht. Und zwar immer vor dem Haus, in dem sie zuletzt gelebt haben.
Weitere Veranstaltungen im Landkreis
Am Freitag gab es weitere Gedenkveranstaltungen im Landkreis. So berichteten im Dokumentations- und Informationszentrum drei Referenten über jüdisches Leben vor 1933 in Schweinsberg, Niederklein und Allendorf. In der ehemaligen Landsynagoge Roth gab es eine Gedenkstunde des Landkreises gemeinsam mit dem Arbeitskreis Landsynagoge Roth und der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Marburg (die OP berichtete). Die zentrale Gedenkveranstaltung der Bundesrepublik hatte im Bundestag in Berlin stattgefunden.