Auf den Blickwinkel kommt es an

Das Neustädter Straßenmalerfestival kehrt zurück / Nur Profis am Start
Von Michael Rinde
Neustadt. Enten und Tiger vertragen sich eigentlich nicht. Im Zweifel dürfte sich die Ente rechtzeitig in die Lüfte erheben. So lebensecht ist es auch auf dem neuesten Werk von Nikolaj Arndt direkt am Neustädter Bürgerpark zu sehen. Dort schwingt sich die eine Ente in die Höhe, während sich der Tiger mit entsprechendem Blick nähert.

Wer von der Seite schaut, erkennt das Werk von Nikolaj Arndt nicht ganz als das, was es eigentlich ist. Ein hervorragendes, facettenreiches 3-D-Bild. Arndt ist unter anderem 3-D-Straßenmaler, der zu Neustadt von jeher eine besondere Beziehung hat. Er hat nicht nur dort gelebt. Im Jahr 2010 kam er mit der Straßenmalerei in Neustadt erstmals in Kontakt, beim ersten Straßenmalerfestival in der Junker-Hansen-Stadt. Dort war er eingeladen und gleich begeistert. Inzwischen lebt der Künstler in Marburg. Doch in normalen Zeiten jenseits der Pandemie ist er mitunter weltweit unterwegs, um auf Straßen und Plätzen zu malen.

Feine Striche am Tigerschwanz

Drei Tage arbeitete er jeweils mehrere Stunden an der Darstellung mit Enten und Tigern. „Der zweite Tag ist der wichtigste für mich, dann geht es um die Feinarbeit“, erklärt Arndt, während er wieder einmal ein Detail kritisch unter die Lupe nimmt. Dieses Mal geht es um Konturen am weiten Schwanz des Tigers. Einige Augenblicke und wenige gezielte Pinselstriche in verschiedenen Farben später wirkt der Schwanz noch buschiger – wenn der Beobachter aus dem richtigen Winkel auf das Werk schaut. „3 D ist immer ein Spiel mit der Perspektive, von ihr hängt alles ab“, erklärt der Künstler. Er ist an jenem Tag nicht allein am Rand des Bürgerparks. Kinder spielen in der Nähe, direkt an dem kleinen fahrenden Café, der „Wandelbar“, sitzen ältere Neustädter und beobachten, wie das Werk entsteht. Eine bessere Werbung für das nahende Straßenmalerfestival gibt es wohl kaum. Arndt ist während des Festivals im Urlaub, deshalb engagiert er sich vorab, auch um auf das Festival aufmerksam zu machen.

Im vergangenen Jahr gab es eine Zwangspause wegen der Corona-Pandemie für das beliebte Festival. Auch jetzt, am 28. und 29. August, verläuft das Straßenmalerfestival etwas anders als gewohnt, wie Roswitha Trümpert berichtet. Es werden nur Profimaler dabei sein, die vielen Hobbykünstler, die dem Arbeitskreis so wichtig sind, in diesem Jahr leider nicht. Außerdem gibt es einen Ortswechsel. Erstmals findet das Straßenmalerfestival in der Allee am Bürgerpark statt. Also in deutlich kleinerem, aber dafür auch gemütlichem und überschaubarem Rahmen. „Wir sind sehr gespannt, wie das angenommen wird“, sagt Trümpert. Sie freut sich, dass überhaupt wieder ein Straßenmalerfestival stattfinden kann. Bewertet werden die Profibilder übrigens nicht. „Deshalb kommen viele Profis gerne zu uns, weil sie sich frei entfalten können“, berichtet Trümpert. Es gibt allerdings ein Motto: Umweltschutz und Biodiversität.

Aber auch die Hobbykünstler sind nicht vergessen. Der Arbeitskreis lädt sie dazu ein, vor ihren Haustüren kreativ zu werden und mit Kreide ein Bild zu malen, es abzufotografieren und dann an den Arbeitskreis Straßenmaler zu schicken. Ziel ist eine Bildergalerie auf der Internetseite des Straßenmalerfestivals, mit der dann auch die Hobbykünstler präsent sein können. Wer sich beteiligen möchte, schicke seine Arbeit ab sofort bitte an die Mailadresse vorstand@strassenmaler-neustadt.de. Und noch eine kleine Neuerung kommt hinzu, die Idee ist noch ganz neu entstanden, wie Roswitha Trümpert berichtet. Die Bilder der Profis sollen fotografiert werden, um sie versteigern zu können. Später werden diese Bilder dann auf Leinwände gezogen. Wer sich an der Versteigerung beteiligen möchte, kann vor Ort Gebote abgeben. Der gesamte Erlös kommt dem Kinder- und Jugendhospizdienst Gießen-Marburg zugute, den der Arbeitskreis unterstützen möchte.

Weitere Informationen gibt es unter www.strassenmaler-neustadt.de. Wer sich die Bilder ansehen möchte, kommt zum Festival. Ein Rahmenprogramm gibt es dieses Jahr zwar nicht, aber Imbissmöglichkeiten und einen Weinstand.