Bahnhof ist ideales Verkehrszentrum

„Nahverkehrscheck“ zeigt Neustadts Stärken und Schwächen in Sachen Mobilität
Von Michael Rinde
Neustadt. Gleich zwei Fachbüros haben im vergangenen Jahr in Sachen Mobilität in Neustadt genau hingeschaut. Die Stadt hatte sie mit einem „Nahmobilitätscheck“ beauftragt, zehn Punkte hatten die Büros abgearbeitet und geprüft und dabei einen Blick auf Stärken und Schwächen geworfen. Diese Prüfung ist ein wichtiges Element innerhalb der Arbeitsgemeinschaft Nahmobilität Hessen, der die Stadt Neustadt 2021 beitrat.

Das hat auch finanzielle Vorteile in diesem Moment. Denn die aufwendige Prüfung kostete 20.000 Euro – von denen das Land 70 Prozent getragen hat. Im Fokus stehen Fuß- und Radverkehr, aber genauso auch der öffentliche Personennahverkehr.

Und da hat sich beim Check etwas besonders klar gezeigt: Neustadts Bahnhof mit seiner zentralen Lage wäre ein geradezu ideales Zentrum für verschiedene Verkehrsangebote. Die Experten der Büros „mociety“ und „VIA“ wollen, dass dort am und rund um den Bahnhof eine Mobilitätsstation entsteht – mit einer Bushaltestelle und mit Park-and-Ride-Angeboten.

Die Empfehlungen, die das Ergebnis des Checks enthalten, lassen sich dabei naturgemäß nicht alle gleichermaßen schnell umsetzen, teils wird ein langer Atem gefragt sein, wie auch Bürgermeister Thomas Groll (CDU) völlig klar ist. Die vorgeschlagenen Projekte sind in kurz-, mittel- und langfristig unterteilt, erstrecken sich also über einen Zeitraum zwischen zwei und zehn Jahren. Manches davon ist sogar schon angestoßen.

Keine „Mondpreise“

Am Bahnhof entstehen derzeit 70 Abstellmöglichkeiten für Fahrräder (die OP berichtete), anderes wird gerade dort aber noch dauern. Entscheidend für neue Anstöße wird sein, ob es der Stadt gelingt, dass Bahnhofsgebäude von einem Investor zu kaufen – und mit der Bahn über Veränderungen einig zu werden.

In Sachen Investor ist Groll zurückhaltend, es gebe Verkaufsverhandlungen. „Beim Investor ist die Bereitschaft erkennbar, sich von utopischen Kaufpreisforderungen zu verabschieden, noch liegen wir aber auseinander“, so Groll. Und betont bei der Gelegenheit erneut, dass er nicht bereit sein werde, „Mondpreise“ zu bezahlen.

Defizite gibt es am Neustädter Bahnhof auch in Sachen Barrierefreiheit. Da drängt Groll auf schnellere Gespräche mit der Bahn, die aber erst 2024 in den einen Dialog eintreten will, wenn Neustadt an der Reihe wäre. Für Groll wäre das reichlich spät. Ausdrücklich heben die Gutachter eine gute Bahnanbindung von Neustadt als Plus hervor. Lob gibt es auch für das Bürgerbus-Angebot, das ehrenamtlich vorangebracht wird. Da sehen die Büros aber auch Verbesserungsbedarf, etwa durch eine bessere Abstimmung der Fahrpläne mit denen der Buslinien, um zum Beispiel Rückfahrten aus der Stadt oder von Einkaufsmärkten in verschiedene Bezirke zu vereinfachen.

In Sachen Radverkehr empfehlen die Büros ein eigenes Radverkehrskonzept und zwar in enger Abstimmung mit Neustadts Nachbarstädten, zum Beispiel Schwalmstadt oder Kirtorf.

Blick auf die Schulwege

Bei den Radwegeverbindungen besteht noch einige Luft nach oben, was auch Groll teilt. Deshalb wird er für den Haushalt 2023 auch Gelder für ein solches Konzept nachmelden. Außerdem haben sich die Büros mit Schulwegen befasst und verschiedene Schwachpunkte aufgezeigt. Die Barrierefreiheit von Bushaltestellen wird Neustadt auch beschäftigen müssen.

Derzeit läuft noch eine Verkehrsuntersuchung, ganz unabhängig vom jetzt abgeschlossenen Check. Da geht es um künftige Verkehrsentwicklungen und Änderungsmöglichkeiten in naher Zukunft, etwa, wenn die Autoverkehre nach Fertigstellung der A49 abnehmen dürften. Groll sieht das als ein großes Paket an, das da geschnürt werden wird. „Wir sind immer gut damit gefahren, Experten einzubinden“, betont er.

Es soll aber nicht beim Planen und Reden bleiben. Im aktuellen Haushaltsentwurf stehen bereits 150.000 Euro für verschiedene Projekte in Sachen Nahmobilität bereit.

„Wir als Stadt können an vielen Punkten nur der Motor sein, wir können den zuständigen Stellen Anstöße geben und bei Bedarf auch Druck aufbauen“, sagt Groll aber auch. Denn an vielen Punkten lassen sich Änderungen eben nur mit Landesbehörden und Verkehrsverbünden oder der Bahn AG anstoßen.