Ein großes Jahr für Speckswinkel

Neustädter Stadtteil startet mit Silvesterparty ins Jubiläum
Von Florian Lerchbacher

Speckswinkel. Der Jahreswechsel ist stets ein Grund zu feiern. Für die Menschen in Speckswinkel insbesondere, denn für sie hat mit dem Jahr 2023 ein Jubiläumsjahr begonnen, in dem sie immer wieder feiern werden – sich und ihren Heimatort. 800 Jahre liegt die urkundliche Ersterwähnung des Dorfes zurück: Damals wurde ein Grundstückskauf des Klosters Haina in Speckswinkel besiegelt. Warum dies ausgerechnet in dem heutigen Neustädter Stadtteil geschah, lasse sich nicht nachvollziehen, berichtet Herbert Losekam und betont, dass damals auch Ellnrode – wo das Grundstück lag – erstmals urkundlich erwähnt wurde.

Anlässlich des Jubiläums hat sich der Zollhistoriker intensiv mit der Geschichte beschäftigt und das Buch „Zoll und Zoller von Speckswinkel“ geschrieben, das er im April vorstellen wird. Die geschichtliche Bedeutung des Dorfes sei sehr groß, betont er und verweist auf 2.148 Nennungen im Infosystem des Landesarchivs – was mit Abstand die meisten von kleinen Ortschaften im Ostkreis seien.

Ausschlaggebend sei dafür die Landzollstelle, die 1431 erstmals erwähnt wurde und an den „langen Hessen“ lag, über die Menschen von Frankfurt nach Leipzig reisten. Der Landgraf habe Handelnden Geleitschutz gewährt – gleichzeitig sei die Fernstraße aber auch Zollstraße gewesen. Speckswinkel war neben Ebsdorf die zweite Zollstelle der Region. „Sie war bis 1563 der Rentkammer unterstellt“, sagt Losekam und erklärt: „Heute würde man sagen: dem Finanzministerium.“ Die Zollstelle prägte also die Geschichte – und ist auch heute noch allgegenwärtig: So heißt das Dorfgemeinschaftshaus „Zollhof“.

Eben dort feierten am Wochenende rund 100 Menschen auf Einladung des Festkomitees den Jahreswechsel – mit Essen und Getränken, einer Fotobox und verschiedenen Aktionen für Kinder. „Ein gelungener Auftakt unseres Festjahres“, freut sich Ortsvorsteher Martin Naumann und betont, dass es verschiedene Ansätze gebe, um das Jubiläum zu feiern.

In den fünf Arbeitsgruppen Historie, Höfe- und Scheunenfest, Grenzgang, Kinder und Sponsoring liefen die Vorplanungen. Die Speckswinklerinnen und Speckswinklern wollen aber nicht nur das Hier und Jetzt feiern, sondern sich auch mit der Vergangenheit beschäftigen und Dinge schaffen, die bleiben.

Daher erstellt Losekam die Zollchronik, des Weiteren wird die Ortschronik von 1973 weitergeschrieben und ein landgräflich hessischer Zollstock nachgebaut, der bis zum Jahr 1751 „hinter der Krücke“ stand. Hinzu kommen zwei Grenzgänge – für die Infotafeln erstellt werden, die künftig die Strecken säumen.

Im Juni steht eine Festwoche mit unter anderem Kommers und Höfe- und Scheunenfest auf dem Programm, in deren Rahmen aber auch historische Führungen durch den Ortskern stattfinden und ein mittelalterliches Rollenspiel am Zollhof aufgeführt wird.

Zum Abschluss im September findet ein zweiter Grenzgang statt, der dann an der Kelterei „Matsch und Brei“ endet, die in diesem Jahr ebenfalls einen runden Geburtstag feiert: Sie besteht seit 40 Jahren, hebt der Ortsvorsteher hervor.

„Früher war Speckswinkel übrigens bedeutender als Neustadt“, berichtet Losekam noch mit einem verschmitzten Lächeln und verweist auf die erste zivile hessische Landkarte aus dem Jahr 1550. Der heutige Neustädter Stadtteil war darauf bereits verzeichnet – die heutige Kernstadt aber noch nicht. Während Neustadt zum Erzbistum Mainz gehörte, war Speckswinkel Tel der Grafschaft Ziegenhain. Erst als dort im Jahr 1450 die Nachkommen fehlten, übernahm die Landgrafschaft Hessen den Ort.