Am Donnerstag tritt die Hochseilartistengruppe „Geschwister Weisheit“ dreimal auf
Von Florian Lerchbacher
Neustadt. Normalsterblichen treibt es den Angstschweiß auf die Stirn, wenn sie den Geschwistern Weisheit bei ihrer Arbeit nur zusehen. Wie es ist, in luftiger Höhe auf einem Drahtseil zu balancieren oder gar mit dem Motorrad darauf zu fahren, mag man sich gar nicht vorstellen. Fakt ist: Die Show, die Europas größte Hochseilgruppe zeigt, ist spektakulär. Am Himmelfahrtsdonnerstag sind die Artisten anlässlich des Jubiläums „750 Jahre Neustadt“ gleich dreimal mit unterschiedlichen Aufführungen in verschiedenen Höhen auf beziehungsweise über dem Festplatz in der Lehmkaute zu sehen. Um 15 Uhr zeigen sie beispielsweise ihr im Jahr 2011 beim Zirkus-Festival in Monte Carlo ausgezeichnetes Programm „11 Artisten in 14 Metern Höhe“, um 15 Uhr geht es auf Zweirädern hoch bis in 30 Meter Höhe – ehe dann Natalia Weisheit bis in 60 Meter Höhe kraxelt.
Genuss statt Angst
Angst hat sie dabei keine, erklärt die Artistin, die mit vier Jahren erstmals auf dem Hochseil stand. Viel eher genieße sie jedes Mal die tollen und einzigartigen Aussichten und entdecke Details, die man beim normalen Rundgang durch die Orte sonst nicht sehe. „Angst habe ich nur vor meinem Schwiegervater, wenn etwas verkehrt läuft“, wirft Ehemann Steve lachend ein, um die Frage dann ernsthaft zu beantworten: „Wer Angst hat, der zweifelt – und dann gehört man nicht aufs Hochseil.“
Staatspreis der DDR
Die Auftritte in luftiger Höhe sind bei den Weisheits Familientradition. „Ich stand mit fünf Jahren das erste Mal auf dem Hochseil“, erinnert sich Rudi Weisheit zurück, dessen Großvater im Jahr 1900 mit der Artistik begonnen hatte. Er selber – der erste Artist, der den Staatspreis der DDR erhielt, wie er stolz hervorhebt – läuft oder fährt mit 79 Jahren zwar nicht mehr über das Hochseil, doch insgesamt sind drei Generationen der Familie aktiv. „Schon als Kind will man unbedingt mitmachen“, weiß Sohn Peter aus eigener Erfahrung.
Erst als Erwachsener war Steve dazugekommen – weil er Natalia Weisheit beim ersten Treffen gleich verfallen war und sie später heiratete. „Man kann alles lernen“, sagt er, der selber aus einer Schaustellerfamilie stammt, und schränkt angesichts des skeptischen Blickes seines Interviewers ein: „Okay, wenn man Höhenangst oder Probleme mit dem Gleichgewicht hat, dann vielleicht nicht.“ Doch Stück für Stück könne man sich die Hochseilartistik aneignen: Zunächst beim Balancieren über ein Seil, das auf dem Boden liegt. Dann gelte es, sich zu überwinden und Stück für Stück die Höhe zu steigern. Wenn man dann seine Aufführung draufhabe, warte noch ein weiteres Hindernis: „Vor Publikum ist alles anders: Was man unten zu 100 Prozent und im Schlaf kann, das ist wieder etwas ganz anderes, wenn Zuschauer dabei sind – dann ist man wieder bei 60 Prozent“, analysiert Steve Weisheit. Dann gelte es, sich nicht ablenken zu lassen und sich komplett auf sich selbst und das Programm zu konzentrieren. Besonders beeindruckend sei gewesen, als die Geschwister Weisheit im Jahr 2017 auf dem gerammelt vollen Marktplatz von Sibiu in Rumänien und unter den Augen des Präsidenten auftraten. Es sei unfassbar gewesen, wie die Menschen mitgingen. Das Raunen, als die Artisten ihre Motorräder anließen, habe tiefen Eindruck hinterlassen.
Eintritt ist kostenlos
Der Maßstab für Donnerstag ist also gesetzt. Bei Bürgermeister Thomas Groll, seines Zeichens ein riesiger Zirkusfreund, ist die Vorfreude bereits spürbar. Schon mehrfach war er auf dem Festplatz, um das Gespräch mit den Artisten zu suchen und in ihre Welt einzutauchen: „Hier hört man Geschichten, die man in keinem Buch lesen kann.“ Ebenso wie er spricht auch Peter Weisheit eine herzliche Einladung aus und verspricht, mit dem Programm „Dem Himmel entgegen“ für einen „wunderschönen Vatertag, der für die ganze Familie etwas ist“, zu sorgen (der Eintritt ist kostenlos). Bei Starkregen müssen die Auftritte verschoben werden, doch leichter Regen halte die Artisten nicht ab, ihre Show zu zeigen, wirft Steve Weisheit ein.