Gegründet in Pandemie-Zeiten

OP-Serie zu den Bürgerhilfen im Landkreis: Neustädter Initiative ist noch ausbaufähig
Von Florian Lerchbacher
Neustadt. „Im sozialen Bereich läuft einiges nicht so, wie es sollte“, sagt Dieter Trümpert und erinnert sich rund vier Jahre zurück: Damals setzten sich einige engagierte Neustädterinnen und Neustädter zusammen und gründeten angesichts der herrschenden Defizite den Bürgerverein „Wir für uns“ – den Trümpert als Vorsitzender anführt.

Unter anderem ist die Initiative zuständig für den Bürgerbus, beheimatet Pfadfinder und organisiert inzwischen auch Mittagstische. Eine ganz zentrale Erweiterung des Angebots erfolgte jedoch kurz nach Ausbruch der Corona-Pandemie: Im Mai 2020 hoben die Vereinsmitglieder ihre Bürgerhilfe aus der Taufe.

„Die Probleme in der Versorgung älterer Menschen steigt an. Viele von ihnen wollen weiterhin selbstbestimmt leben, brauchen aber etwas Unterstützung.

Und da sich die Familienstrukturen geändert haben und Angehörige nicht immer vor Ort sind, muss es anders gehen: Das wichtigste Instrument einer funktionierenden Gesellschaft ist eben die Hilfe, die man sich untereinander gibt“, sagt Sabine Schmerberg, die seit dem 1. Februar als Koordinationskraft der Bürgerhilfe fungiert.

Bisher nehmen „nur“ 50 Menschen das Angebot wahr

Im Neustädter Stadtgebiet sei im Vorfeld der Gründung anhand von Alter und Wohnsituation der mögliche Bedarf ermittelt worden, erinnert sich Trümpert: Demzufolge gebe es rund 700 bis 900 Personen, die potenziell auf die Bürgerhilfe zurückgreifen könnten. Tatsächlich nehmen derzeit aber nur 50 Menschen die Angebote in Anspruch.

„Woran das liegt, lässt sich nicht genau sagen. Viele können Unterstützung von Familie oder Nachbarn bekommen. Vielleicht sind wir aber auch noch nicht bekannt genug“, analysiert der Vorsitzende und hofft, dass sich dies durch Mund-zu-Mund-Propaganda im Laufe der Zeit ändert: „Der persönliche Kontakt ist wichtig. Und es gibt eigentlich auch nichts Besseres im Sozialen, als die Ehrenamtlichkeit, die aus dem Herzen herauskommt. Das Miteinander macht viel aus.“

Aber auch helfende Hände werden in der Neustädter Initiative dringend benötigt. Hoffnung zieht Schmerberg aus den Unterstützungsangeboten, die während der Corona-Pandemie wie die Pilze aus dem Boden schossen: Plötzlich boten die verschiedensten Menschen an, für Seniorinnen und Senioren beispielsweise die Einkäufe zu erledigen, damit diese nicht aus dem Haus mussten. „Dieses Engagement beizubehalten – das wäre mein Wunsch“, sagt sie.

Ein solch sinnvoller Einsatz ist vor allem auch gut für das persönliche Wohlbefinden der Helferinnen und Helfer. Das haben nicht nur Studien gezeigt.

„Man ist zufriedener. Es ist ein tolles Gefühl, jemandem zu helfen oder eine Freude zu machen. Und die Dankbarkeit, die man spürt, ist auch schön“, betont Ilona Obst.

„Für einige bedeutet
Bürgerhelfer Leben“

Sie ist Neustädter Bürgerhelferin der ersten Stunde und entschied sich einst, in der Initiative mitzuwirken, weil sie ihr eigenes Leben reflektierte: Ihr Vater habe ihr einst für ihre Unterstützung gedankt. „Da fragte ich mich, was Menschen machen, die keine Familienmitglieder in der Nähe haben.“

„Helfen ist genial“, wirft Trümpert ein Zitat von Helferin Elke Dippel ein: „Man investiert etwas – und bekommt viel zurück.“ Doch nicht nur das: „Für einige Menschen bedeuten die Bürgerhelfer Leben“, ergänzt Schmerberg. Sie würden schließlich nicht nur unterstützen, sondern auch Gesellschaft leisten und so Kraft und Mut geben und die Gesundheit der Hilfenehmer fördern. Für sie ist klar, dass sie die Bürgerhilfe weiter ausbauen will. Zum Beispiel denkt sie darüber nach, auch Bewegungsangebote zu machen und die Sturzprävention zu fördern, um Unfällen vorzubeugen. Zudem seien ein Letzte-Hilfe-Kurs geplant und gemeinsame Aktionen für Bürgerhelfer und Hilfenehmer zu veranstalten, damit diese noch näher zusammenzurücken: „Gemeinsames Kuchenessen ist ein ganz wichtiger Faktor“, sagt sie lachend und fügt hinzu: „Und ich möchte abfragen, was sich die Menschen wünschen und was sie ihrer Meinung nach brauchen.“