„Integration und Inklusion gelingen nicht nebenbei“

OP-Interview mit SPD-Landtagskandidat Sebastian Sack (Wahlkreis 13)
Von Björn Wisker
Marburg. Sebastian Sack tritt für die SPD als Landtagskandidat im Wahlkreis 13 an.

Politiker statt Pauker, vom Pausenhof ins Parlament: Wie schlimm ist der Lehrerjob denn?

Es ist mein Traumberuf, man arbeitet an und für die Zukunft von Menschen – auch wenn es mit manchen schwieriger ist als mit anderen. Im Idealfall wechsle ich von einem in den anderen Traumberuf.

Ökonomie, Programmieren und Berufsorientierung als Schulfächer, Englisch als zweite Unterrichts-Sprache ist in anderen Ländern normal. Wieso nicht in Deutschland, in Hessen?

Wir müssen die Lehrpläne deutlich entschlacken und auch andere, neue Inhalte und Fächer vermitteln. Etwa Arbeitslehre an Gymnasien. Grundsätzlich muss es gelingen, Kinder in einer internationalen, technisierten und in Medien- und Kommunikationsverhalten ganz anderen Welt zu fördern, als sie zu der Zeit war, aus der viele Lehrpläne stammen. Auf diesem Weg kommt Englisch eine zentrale Rolle zu, sollte als zweite Sprache Teil des Regelunterrichts werden. Aber auch in Deutsch müssen wir es schaffen, dass jeder in Wort und Schrift an Bord bleibt – das ist nämlich oft nicht mehr der Fall.

Stichwort Sprache: Gendern oder nicht?

Ich glaube, Sprache schafft Realitäten. Ich möchte eine Sprache, die niemanden ausschließt, aber in welcher Form das jemand tut, will ich keinem vorschreiben.

Können Lehrer die Anforderungen an Integration und Inklusion leisten?

So, wie es gerade läuft, funktioniert es keinesfalls. Gute Bildung braucht Zeit und Raum. Weder Integration noch Inklusion gelingen nebenbei. Gerade Inklusion braucht kleine Klassen und Förderschulkräfte – übrigens auch Sozialpädagogen – die sich um spezielle Bedarfe kümmern. Lehrer sind sonst überfordert, sie stehen dann da, als hätten sie Müller gelernt und müssten Bäcker sein. Mehr noch: So fallen auch hochintelligente Schüler und Schülerinnen hinten runter, die etwa mit mehr Sprachförderung ganz weit kommen würden.

SPD-Spitzenkandidatin Nancy Faeser lässt als Bundesinnenministerin Migration recht umfangreich zu. Dabei warnt selbst Marburg-Biedenkopf seit Monaten vor Problemen, von Wohnungen über Integration bis Berufsqualifizierung. Haben wir ein Migrationsproblem?

Nein, es gibt Solidaritätsmängel in Europa. Mit gerechter Verteilung und gleichen Standards wäre Migration eine echte Zukunftschance. Was stimmt: Wir dürfen Probleme, die es für jeden sichtbar gibt, nicht schön- oder kleinreden. Und doch muss und kann man Probleme praktisch lösen: Migranten nicht in Ballungsgebieten bündeln, sondern kleinräumig verteilen und vor Ort aktiv ins Alltagsleben einbinden. Wer eine Bleibeperspektive hat, braucht intensive Sprachförderung und schnelle, echte, seinen Stärken entsprechende Chancen im Berufsleben – nicht jeder Migrant muss Pfleger oder Busfahrer werden, um Arbeitsmarkt-Lücken zu schließen. Und ja, Förderung kostet.

Ob Bildung oder Soziales: Für Politiker ist Geld das Allheilmittel geworden. Dabei schwimmt der Staat schon in Steuergeld. Wird es nicht einfach falsch ausgegeben?

Jeder Haushalt ist eine Entscheidung, in was man investieren will. Für Rahmenbedingungen, die Ausstattung für Sozialberufe geben wir zu wenig aus, aber für den Staatsapparat selbst zu viel. Wenn man Bürokratie abbaut und schneller digitalisiert, kann man zum einen dafür sorgen, dass die Pflegerinnen weniger Zeit mit Papierkram und mehr beim Patienten verbringen und zum anderen der Staat effektiver arbeiten kann.

Kein Wahlkampf ohne Thema UKGM: Wieso sollte in Zeiten von Arbeitskräftemangel ausgerechnet dessen Rechtsform – privat oder staatlich – einen Unterschied machen?

Weil das UKGM, wenn es dem Land Hessen gehört, nicht unter Gewinnorientierung läuft und man im Zweifel nicht am Personal, damit für den Patienten an Qualität, spart. Das Land muss Rückgrat haben und den Fehler korrigieren, den danach niemand mehr gemacht hat: ein Uni-Klinikum zu privatisieren.

Zum Schluss: Wie stehen Sie, speziell in Marburg an den Problempunkten zu Videoüberwachung?

Sie ist, wo die Polizei sie für notwendig hält, nötig und könnte helfen. Sie muss aber in ein Gesamtkonzept eingebettet sein.