Sorge in Neustadt: Kultusministerium will Pläne des Schulträgers ablehnen
Neustadt. Schlechte Kunde aus Wiesbaden für Neustadt: Kultusministerin Karin Wolff will der beantragten Umwandlung der Gesamtschule Neustadt in eine integrierte Gesamtschule nicht zustimmen.
von Bodo Ganswindt
Die Chancen, dass in Neustadt ein gymnasiales Bildungsangebot aufrecht erhalten werden kann, werden zunehmend geringer. Denn gestern hat die hessische Kultusministerin Karin Wolff mitgeteilt, dass sie „beabsichtigt, der vom Landkreis Marburg-Biedenkopf vorgelegte Teilfortschreibung des Schulentwicklungsplanes für den Standort Neustadt nicht zuzustimmen“.
Jener Schulentwiaklungsplan sah vor, die bislang kooperative Gesamtschule in eine integrierte Gesamtschule umzuwandeln, die per Gesetz verpflichtet ist, die Bildungsangebote für alle Schulformen zu integrieren. Vor dem Hintergrund sinkender Schülerzahlen sah man beim Schulträger, der Schule und der Stadt darin noch eine Chance, das schulische Angebot in Neustadt aufrechtzuerhalten.
Die Stadtverordnetenversammlung bekräftigte dies mehrfach mit einer Resolution an die Adresse der Kultusministerin. Deren Antwort darauf steht bislang noch aus.
Gleichwohl hat Karin Wolff ihre Absicht inzwischen den Medien mitgeteilt. Nach ihrer Auffassung ist in Neustadt künftig mit sinkenden Schülerzahlen zu rechnen. Das werde auch durch das Anmeldeverhalten der Eltern deutlich, von denen, was den Gymnasialbereich anbelange, angeblich fast 50 Prozent ihre Kinder in Amöneburg und Schwalmstadt anmeldeten. „Diesen Trend würde ein integriertes Angebot kaum umkehren“, behauptet die Ministerin. Eine integrierte Gesamtschule sei nicht möglich, „wenn die gymnasiale Schülerklientel ausbleibt“. Eine sinnvolle Unterrichts- und Erziehungsarbeit sei auf dieser Basis nicht gewährleistet.
„Ich nehme diese Nachricht mit großem Bedauern zur Kenntnis“, sagte Schulleiter Hartmut Boss. Er sei zwar fernmündlich bereits über die Absicht der Ministerin informiert worden, aber eine konkrete Absage sei ihm noch nicht zugegangen. Er gebe zu bedenken, dass die aktuelle 5. Gymnasialklasse mit 38 Schülern belegt sei. Er schließe daraus, dass in Neustadt inzwischen das gymnasiale Angebot besser akzeptiert werde als in der Vergangenheit. „Wir gehen davon aus, dass auch im Hinblick auf die auf acht Jahre ver-
kürzte Gymnasialzeit die Schülerzahlen ansteigen werden.“
Bürgermeister Manfred Hoim zeigt sich „keineswegs erfreut“ über die Nachricht aus Wiesbaden, die man zwar zur Kenntnis nehme. „Wir hoffen aber auf eine Chance, in Wiesbaden noch einmal vorsprechen zu können“, sagte Hoim, der selbst noch keine Mitteilung über die Entscheidung im Ministerium erhalten habe. Er werde mit den Verantwortlichen auf Kreisebene darüber reden, ob etwa der Klageweg beschritten werden sollte.
„Das ist eine Nachricht, die mich besorgt“, sagte Dr. Karsten McGovern, der Schuldezernent des Landkreises. Der Schulstandort Neustadt sei dadurch stärker gefährdet. Für die Stadt bedeute das eingeschränkte Angebot einen Standortnachteil. Der Schulträger werde jetzt sorgfältig prüfen, ob die Option des Klageweges gewählt werden könne.
Die Absicht der Ministerin liegt allerdings noch nicht in verbindlicher Form eines Erlasses vor, zumal der Hauptpersonalrat an dem Verfahren noch nicht beteiligt worden ist. Eine Klage ist damit zum jetzigen Zeitpunkt ohnehin nicht möglich. Gleichwohl drängt die Zeit, denn in Kürze beginnen die Beratungsgespräche über die weiterführenden Schulen für die Eltern der Viertklässler.
Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Eltern angesichts der ungeklärten Situation für eine andere Schule als Neustadt entscheiden, dürfte ziemlich groß sein.