Rund 450 Teilnehmer bei Kundgebung im Herzen von Neustadt
Von Michael Rinde
Neustadt.
Mit mehr als 450 Teilnehmern kamen am Samstag, 24. Februar, deutlich mehr Menschen zur Kundgebung „Nie wieder ist jetzt“ auf den Neustädter Schlossplatz als erwartet. Der Arbeitskreis „Nie wieder ist jetzt“, bestehend aus zehn Neustädter Bürgerinnen und Bürgern, hatte mit etwa einem Drittel der Teilnehmer gerechnet. In den vergangenen vier Wochen hatte der Arbeitskreis die Kundgebung – die dritte Demonstration in Neustadt innerhalb der vergangenen 50 Jahre überhaupt – organisiert.
Arbeitskreis-Mitglied Merve Hamel sagte bei der Eröffnung der Kundgebung, warum sich die Veranstalter dazu entschieden hatten: „Wir wollen ein Zeichen setzen, für Demokratie, für Vielfalt und für Toleranz.“ Klare Zeichen setzen und klare Bekenntnisse für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ablegen, das taten sämtliche Redner und auch die beiden heimischen Bands „08/15 mit Veh“ und „Julia und Sebastian“.
Unterschiedliche Akzente
Landrat Jens Womelsdorf, die Neustädter Stadtarchivarin Andrea Freisberg, die Landtagsabgeordneten Angela Dorn (B 90/Die Grünen) und Sebastian Sack (SPD), Oguz Yilmaz, Vorsitzender der türkisch-muslimischen Gemeinde seit 20 Jahren, Emilia Kalina-Jarczewski und Stefanie Pieper vom Frauenverein 1958 Neustadt und Bürgermeister Thomas Groll – sie alle forderten auf unterschiedliche Weise dazu auf, sich schützend vor die Demokratie zu stellen und Toleranz zu leben. Zugleich gab es auch klare Worte gegen jede Form des Rechtsextremismus. „Remigration wird es mit uns nicht geben“, rief Landrat Womelsdorf den heftig applaudierenden Menschen auf dem Schlossplatz zu.
Stadtarchivarin Freisberg führte den Kundgebungsteilnehmern Auszüge der Neustädter Stadtgeschichte in den 1930er- und 1940er-Jahren vor Augen, lieferte historische Fakten dazu, was auch in der Kleinstadt in der Nazizeit geschah, und mahnte. Ausgrenzung, Verfolgung, Deportation, Zwangssterilisierung, all das geschah auch in Neustadt. Freisberg erinnerte an die 2025 beginnende Verlegung von Stolpersteinen.
Es war Oguz Yilmaz, der an diesem Nachmittag in Neustadt herausragend viel Applaus bekam, als er formulierte, was Neustadt alles fehlte, gebe es keine Geschäfte, keine Restaurants, betrieben von Menschen mit Migrationshintergrund wie ihm. „Wir haben uns hier verwurzelt“, sagte er. Und dann kam ein Satz, der viele auf dem Platz unmittelbar berührte: „Es ist nicht dein Neustadt, es ist nicht mein Neustadt, es ist unser Neustadt.“
Thomas Groll machte klar, dass Demokratie eben nicht selbstverständlich sei, dass um sie gekämpft werden müsste. Artikel eins des Grundgesetzes, der besagt, dass die Würde des Menschen unantastbar ist, sei ein Auftrag an alle. Mittlerweile seien in Deutschland rund eine Million Menschen für die Demokratie in den vergangenen Wochen auf die Straße gegangen. „Wer hätte dies vor zwei Jahren noch gedacht?“, fragte Groll.
Kein „Neofaschismus“
Landrat Womelsdorf wie später auch Sebastian Sack forderten dazu auf, über die Teilnahme an Kundgebungen hinauszugehen, weiterzumachen, in Betrieben, in Vereinen, in Kirchen und in Kneipen. „Mit uns wird es kein neofaschistisches Deutschland geben“, spitzte er zu.
Der Frauenverein hatte in der Karnevalskampagne schon mit dem Slogan „Wir lieben es bunt, denn niemand mag braunes Konfetti“ Position in aller Deutlichkeit bezogen.
Das tat auch Emilia Kalina-Jarczewski in ihrer Rede. „In unserer Vielfalt liegt unsere Stärke“, unterstrich sie für den Frauenverein. Es dürfe nie wieder zugelassen werden, dass Menschen aufgrund ihrer Religion, ihrer Hautfarbe oder ihrer Herkunft ausgegrenzt, beleidigt oder bedroht würden.
„Uns eint, wir sind alle Demokraten. Es ist eine der größten Errungenschaften, dass wir frei unsere Meinung sagen können“, hob Angela Dorn hervor. Das sei ein verbrieftes Recht der Verfassung. Sie wendete sich deutlich gegen die AfD und eben jenes Potsdamer Treffen, bei dem die Gedanken zu einer „Remigration“ von Millionen Menschen in Deutschland mit Migrationshintergrund in die Welt gesetzt wurden.
„Remigration“ bedeutet im Zusammenhang mit dem Potsdamer Treffen die „Rückführung“ von Millionen Menschen in ihre Herkunftsländer, wenn nötig unter Einsatz von „Zwang“.
Der Momberger Sebastian Sack mahnte dazu, anders als zwischen 1933 und 1945 nicht wegzuschauen. Er animierte eindringlich und klar dazu, beispielsweise „beim Erzählen eines kleinen Judenwitzes“ einzugreifen oder eben auch keine Unterscheidungen zwischen „richtigen und falschen Flüchtlingen“ zuzulassen. „Nie wieder ist gerade jetzt“, so seine Formel.