Neustädter Mitteilungsblatt

Dr. Sabine Bergmann-Pohl, erste frei gewählte Volkskammerpräsidentin der DDR und Bundesministerin a. D. sprach zur Gedenkveranstaltung „50 Jahre Berliner Mauer“ Bürgermeister Thomas Groll begrüßte die Gäste im katholischen Pfarrheim

Der Kulturhistorische Verein und der Magistrat der Stadt Neustadt haben es sich zur gemeinsamen Aufgabe gemacht, an historische Ereignisse wie 20 Jahre Deutsche Einheit, 50 Jahre Bundeswehr oder jetzt an 50 Jahre Mauerbau zu erinnern. „Am 13. August 1961 errichteten die damaligen SED-Machthaber mit Billigung der Sowjetunion eine Mauer mitten in Berlin. Damit war die Teilung der deutschen Hauptstadt und unseres Vaterlandes auf fast drei Jahrzehnte hin besiegelt. Die Ereignisse rund um den 9. November 1989 brachten die Berliner Mauer zum Einsturz und Deutschland die Einheit in Frieden und Freiheit“, so Bürgermeister Thomas Groll.
168 km zog sich die Mauer bis 1989 quer durch Berlin und 1.400 km lang war die Grenze zwischen der DDR und der Bundesrepublik. An dem so genannten Antifaschistischen Schutz-wall waren etliche Tote zu beklagen. Rund 16 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges hatte die DDR-Führung damit Deutschland auf Zeit zweigeteilt. Zu Erinnerungen allgemeiner Art werden bei den Menschen jetzt wieder viele persönliche Erinnerungen zu Tage gefördert.
„Die Frage stellt sich, ist Berlin, ist Deutschland jetzt wieder zusammengewachsen? Es ist wichtig, dass man sich erinnert und es ist schade, dass sich so wenige mit diesem, für die Deutschen so wichtigem Thema Mauerbau, beschäftigen. Das ist nicht nur Berlin, sondern 1.400 km Grenze zwischen zwei deutschen Staaten, die seinerzeit geschaffen wurde. Es ist ein Glücksfall, dass es die Mauer nicht mehr gibt und es ist wichtig, dass wir das und die Toten an der Mauer nicht vergessen“, so Bürgermeister Thomas Groll. Dr. Sabine Bergmann-Pohl, die einzig frei gewählte Volkskammerpräsidentin der DDR und Bundesministerin a. D., die von März bis Oktober 1990 als letztes Staatsoberhaupt der DDR fungierte, bedankte sich für die Einladung nach Neustadt. „Obwohl die Mauer nur 28 Jahre Bestand hatte, sind das für mich gefühlte viele, viele lange Jahre“, so Bergmann-Pohl. „Den Westberlinern stand über die gesamte Zeit das Tor zur Welt über die BRD offen. Die Ostberliner und der Rest der DDR hatten hingegen große Einschränkungen hinzunehmen.“ Sabine Bergmann-Pohl berichtete dann über ihre ganz persönlichen Erlebnisse und Erinnerungen an die Zeit um den 13. August 1961. Die Jahre zuvor waren von Massenfluchten nach Westberlin geprägt und da musste die DDR irgendwann reagieren, denn mit den Flüchtlingen verlor sie viele wichtige Hochgebildete und gut ausgebildete Menschen. Das Land blutete immer mehr aus, und auch das regelmäßige Grenzgängertum von Arbeitnehmern zwischen Ost und Westberlin blieb nicht ohne Folgen. Die gesamte Situation hatte Auswirkungen auf das gesamte sozialistische Gefüge und während Walter Ulbricht noch am 15. Juni 1961 tönte „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten“ waren die Vorbereitungen dazu schon in vollem Gange. Die Westmächte tolerierten durch Nichteingreifen den Bau der Mauer und festigten damit die Existenz zweier deutscher Staaten. Die Menschen in der DDR mussten mit Entsetzen sehen, wie sie von der freien Welt ausgeschlossen wurden. Mangelwirtschaft und politische Verfolgung ließen eine Nischengesellschaft entstehen, in der man quasi mit gespaltener Zunge sprach. Die wenigsten werden wissen, dass es bis 1987 noch die Todesstrafe gab, 1981 fand die letzte Hinrichtung statt. Im Westen hingegen, so fuhr Bergmann-Pohl fort, konnte man ganz gut ohne die Ostdeutschen leben, man genoss dort die Freiheit reisen zu können und nahm den 17. Juni als Erinnerung an den Aufstand in der DDR im Jahr 1953 gerne als Feiertag in Kauf und die rasante wirtschaftliche Entwicklung trug maßgeblich zum Wohlbefinden der Westdeutschen Bürger bei. Der Wille zur Wiedervereinigung war in der BRD in den ganzen Jahren keine Selbstverständlichkeit. Die Ostdeutschen gaben hingegen die Hoffnung auf Reiseerleichterungen nie auf. Bürgerrechtler machten Mut zur Gegenwehr, riefen zu Demonstrationen auf. Der Wille nach Freiheit und Demokratie war zunächst nur der DDR Politik geschuldet. Dann verkündete Günter Schabowski bei einer Pressekonferenz die neue Reiseregeiung der DDR und die war für die Bürger der DDR und Berlins Grund genug, die Grenze zu stürmen. Die Einbrüche für die DDR Bürger, die damit verbunden waren, waren für viele nicht zu verkraften. Zu viele Veränderungen stürmten auf sie ein, trotzdem genossen sie ihre neuen Freiheiten. Der staatlich sanktionierte Machtmissbrauch in der DDR darf in unserer Demokratie nie Fuß fassen.
Bürgermeister Thomas Groll dankte Sabine Bergmann-Pohl für die Ausführungen und lud sie und den ehemaligen Kanzleramtminister Friedrich Bohl ein, sich im Gästebuch der Stadt Neustadt einzutragen. Die Veranstaltung wurde musikalisch von Wladislav Morar und Nina Köhler umrahmt. Sie spielten Werke von Rachmaninow, Franz Liszt und Rossini. Zum Abschluss wurde gemeinsam die Nationalhymne gesungen.