Schildbürgerstreich? Vorschriftstreu!

Hessen Mobil bezieht Stellung zu Kritik aus Speckswinkel an der sanierten Landesstraße Richtung Neustadt
Von Florian Lerchbacher und Michael Rinde

Speckswinkel. Neu ist immer besser, heißt es in einer beliebten amerikanischen Fernsehserie. Doch anscheinend stimmt das nicht immer. Zumindest nicht nach Ansicht vieler Speckswinkler, die sich über die sanierte Landesstraße zwischen ihrem Heimatdorf und Neustadt ärgern.
Ortsvorsteher Karl Stehl spricht jedenfalls von einem Schildbürgerstreich und ärgert sich, dass gemachte Veränderungen unlogisch seien – was Hessen Mobil auf Anfrage dieser Zeitung in aller Form von sich weist. Die Landesstraße 3071 sei im Herbst 2019 für rund 880 000 Euro saniert und dabei schmaler gemacht worden, berichtet der Ortsvorsteher und ergänzt, nach Beschwerden der Bürger habe er sich erkundigt und erfahren, dass dies aus Kostengründen geschehen sei. Dann wurden auch noch Leitplanken aufgestellt, was die Bürger noch mehr verärgere. Denn zum einen sei die Straße dadurch noch schmaler und es sei nun endgültig unmöglich, dass landwirtschaftliche Fahrzeuge oder Busse aneinander vorbeifahren können. Ganz zu schweigen davon, dass auch am Aussiedlerhof am Ortseingang Leitplanken errichtet wurden – und die dort lebenden Kinder nun auf der Straße ins Dorf gehen und Gefahren in Kauf nehmen müssten, weil hinter der Leitplanke der Graben sei. Und einen Mittelstreifen gebe es auf der Straße auch nicht.
Doch anscheinend trügt der Eindruck, wie aus der Antwort von Sonja Lecher, Pressesprecherin von Hessen Mobil, hervorgeht: Die Straße sei „plusminus fünf Zentimeter“ schmaler geworden, erläutert sie – von Kostengründen ist dabei nicht die Rede. Aufgrund zahlreicher Schäden – Lecher spricht von Quer- und Netzrissen, Aus- und Durchbrüchen, Spurrinnen, Flickstellen und durchgebrochene Fahrbahnrändern – sei es notwendig gewesen, auf der rund vier Kilometer langen Strecke die Asphaltoberfläche etwa fünf Zentimeter tief abzufräsen. Dann seien „im Hocheinbau“ rund 14 Zentimeter neuer Asphalt daraufgekommen (zehn Zentimeter Asphalttragschicht sowie vier Zentimeter Asphaltdeckschicht). „Somit wurde die Fahrbahndicke insgesamt erhöht und für die Beanspruchung des Verkehrs zusätzlich stabilisiert. An tiefergehenden Schadstellen wurde der alte Asphalt vollständig erneuert.“
Die neue Fahrbahn ist also neun Zentimeter dicker. „Technisch bedingt werden die Asphaltränder mit einem Gefälle eingebaut. Somit ergibt sich im Hocheinbau immer eine kleine Differenz zwischen der alten Fahrbahnbreite“, erklärt Lecher. Die Differenz betrage im Durchschnitt rund fünf Zentimeter: „Darüber hinaus hat sich an der Fahrbahnbreite der L 3071 nichts verändert.“
In Sachen Mittelstreifen verweist sie auf „die aktuellen technischen Regelwerke“, also die bundesweit gültige „Richtlinie für Markierung an Straßen“. Für Fahrbahnbreiten unter 5,5 Meter sei darin keine Mittelmarkierung vorgesehen – die dann entsprechend auch nicht aufgebracht worden sei: „Ziel der fehlenden Mittelmarkierung ist, dem Autofahrer zu vermitteln, dass er aufgrund der fehlenden Breite keinen ,eigenen Fahrstreifen’ hat und dass er langsamer fahren soll, da dort ein Begegnungsverkehr nur noch mit verminderter Geschwindigkeit möglich ist.“
Umgekehrt dürfe ein Autofahrer bei vorhandener Mittelmarkierung im Normalfall davon ausgehen, dass ihm kein Fahrzeug „auf seiner Seite“ entgegenkommt.
Bei den Leitplanken bringt sie die „Richtlinien für passiven Schutz an Straßen durch Fahrzeug-Rückhaltesysteme“ ins Spiel. Sie müssten aufgebaut werden, wenn sich in „geringem Abstand zur Fahrbahn“ – also im Abstand von weniger als 7,50 Metern – „nicht umfahrbare, nicht verformbare Hindernisse“ befinden. In diesem Fall seien dies Masten am Fahrbahnrand.
Außerdem seien ab Geschwindigkeiten über 50 Stundenkilometern Schutzplanken erforderlich. „Strecken, die derzeit nicht baulich verändert werden, haben Bestandsschutz. Sobald aber eine Baumaßnahme durchgeführt wird, muss auch der aktuelle Stand der Technik hergestellt werden“, betont Lecher. Zur Fußgänger-Problematik sagt sie, dass auch vor dem Bauprojekt „keine sichere Fußgängererschließung für die Aussiedlerhöfe“ bestand und die Menschen entlang der Fahrbahn laufen müssten. Dies sei allerdings ein Thema der Stadt Neustadt: „Gleichwohl steht für Fußgänger ja auch das umliegende Wirtschaftswegenetz zur Verfügung.“