Neustadt ist jetzt Mitglied einer Polizei-Initiative und benötigt nun die Rückmeldungen der Bürger
Wie sicher ist Neustadt und was kann getan werden, um die Stadt noch sicherer zu machen? Mit diesen Fragen setzen sich Polizei, Stadt, Institutionen und die Bürger gemeinsam auseinander.
von Florian Lerchbacher
Neustadt. Am Dienstagabend fiel der Startschuss: Neustadt ist nun offizielles Mitglied der „Sicherheitsinitiative Kompass“. Mittelhessens Polizeipräsident Bernd Paul betonte, dass dies eine große Chance sei und sprach von einem „Projekt für die Bürger, das sich aber auch nur mit den Bürgern umsetzen“ lasse. Will heißen: Die Neustädter sollen sich einbringen und der Polizei ihre Sorgen und Ängste mitteilen und erklären, wo und warum sie sich unwohl oder unsicher fühlen.
Die Stadt Neustadt hatte sich um eine Teilnahme an der Sicherheitsinitiative beworben. Im Vordergrund stand bei Bürgermeister Thomas Groll immer bekommen. Ob dieser wirklich entsendet wird, steht allerdings noch nicht fest: Welche Initiativen die Polizei ergreift, um Neustadt sicherer zu machen beziehungsweise das Sicherheitsempfinden der Bürger zu verbessern, steht erst nach einer Phase der Kriminalitätsanalyse, der Bürgerbefragungen und der Evaluation fest – dies wird mindestens bis ins erste Quartal des Jahres 2019 dauern.
Aber eigentlich gilt Neustadt schon jetzt als relativ sichere Stadt – zumindest laut Kriminalitätsstatistik. Im Vergleich zum Landesdurchschnitt und dem Durchschnitt der Straftaten im Beritt des Polizeipräsidiums Mittelhessen sei die Zahl der Straftaten in Neustadt gering, betonte Bodo Koch, der Leiter der Polizeidirektion Marburg-Biedenkopf und ergänzte, dass es 2017 weniger Straftaten als 2014 (also vor der Flüchtlingskrise und der Einrichtung der Erstaufnahmeeinrichtung in Neustadt) gegeben habe.
Allerdings existiere eine Kluft zwischen der objektiven Sicherheit und dem subjektiven Sicherheitsempfinden der Menschen, stellte Paul heraus: „Sicherheit ist ein Lebensgefühl – und das ist mehr als die Abwesenheit von Straftaten.“ Problematisch sei in diesem Zusammenhang das Verbreiten von Vermutungen oder gar „Fake News“: „Wir brauchen keine Hysterie.“
In diesem Zusammenhang verwies Martin Methfessel von der Gemeinwesenarbeit darauf, dass einige Bürger sich bei Straftaten quasi auf Flüchtlinge eingeschossen hätten. Als Beispiel nannte er einen Überfall auf einen Juwelierladen in der vergangenen Woche. „Eine der ersten Fragen von Bürgern lautete, welche Hautfarbe der Täter habe. Und als klar war, dass ein Deutscher der Täter ist, war es gleich viel ruhiger.“ Groll fügte hinzu, dass die sozialen Netzwerke ein Problem seien, weil Nutzer sich weniger für Fakten interessierten, als vielmehr sich Geschehnisse so drehten, wie sie es wollen: „So kann man schnell für Verunsicherung sorgen.“
Doch die Bürger bekommen durch dieMitgliedschaft Neustadts in der „Sicherheitsinitiative“ ja nun die Gelegenheit, ihre Sorgen offiziell zu äußern. Holger Götzmann, bei der Polizeidirektion zuständig für „Kompass“, erläuterte die nächsten Schritte: Zunächst wird die Polizei die Straftaten analysieren. Dann startet sie mit Unterstützung der Uni Gießen eine Fragebogenaktion zum Sicherheitsempfinden der Bürger. Dafür kontaktiert sie zehn Prozent der Einwohner – ausgewählt beispielsweise nach Alter oder Wohnquartier mit dem Ziel, einen repräsentativen Schnitt zu bekommen. Aber auch Neustädter, die nicht direkt angesprochen werden, können ihre Ängste an- sprechen und Wünsche zur Verbesserung äußern: Für sie finden Vor-Ort-Befragungen statt. Die Termine stehen allerdings noch nicht fest. „Wir wollen wissen, was die Menschen beschäftigt. Es gibt schließlich deutliche Diskrepanzen zwischen objektiver und subjektiver Sicherheit. Manche Plätze, die von uns als Polizei unkritisch gesehen werden, empfinden die Bürger als dramatisch“, erläutert Paul.
Nach diesen drei Schritten findet eine weitere „Sicherheitskonferenz“ statt, an der Vertreter der Stadt, der Polizei und verschiedener Institutionen teilnehmen. Sie legen dann fest, was für Neustadt sinnvoll sein könnte, um das Sicherheitsempfinden zu verbessern. Mögliche Ansätze sind der Schutzmann vor“ Ort, eine Videoüberwachung an bestimmten Stellen oder auch der freiwillige Polizei- dienst (den Neustadt allerdings in Kooperation mit Kirchhain und Stadtallendorf bereits imitiert hat).
Die „Sicherheitsinitiative“ ist auf mindestens fünf Jahre ausgerichtet. Groll hat jedoch Dauerhaftigkeit ins Auge gefasst und erklärte, dass die Stadt bereit sei, ebenfalls Geld in die Hand zu nehmen. Ob’s was bringt, steht noch nicht fest. Allerdings sei seit dem Pilotprojekt in Schwalbach in der Stadt am Taunus ein einst gefürchteter Platz nun kein Angstraum mehr, berichtete Götzmann.