Anita Ochs, eine Frau des offenen Wortes, hört nach mehr als 30 Jahren mit Kommunalpolitik auf
Von Florian Lerchbacher
Speckswinkel. Mehr als 30 Jahre engagierte sich Anita Ochs ehrenamtlich in der Kommunalpolitik, war Ortsvorsteherin, Magistratsmitglied und vieles mehr – nun zieht sie einen Schlussstrich. „Mir war es immer wichtig, dass das Soziale nicht untergeht. Deshalb habe ich mich immer für die Menschen eingesetzt“, sagt die Speckswinklerin, die sich beispielsweise für Frauenhäuser, Flüchtlinge und Familien engagierte – und natürlich immer für die Dorfgemeinschaft.
Mit 15 Jahren war dies das erste Mal der Fall, als die gebürtige Speckswinklerin anfing, Kindergottesdienste zu halten. Als nächstes brachte sich Ochs, seit 1972 mit Ehemann Werner verheiratet, im Vorstand des Gemischten Chores ein. Mit Politik habe sie aber nie was am Hut gehabt, betont sie – bis ihr Großonkel Heinrich Kaisinger, ein engagierter Sozialdemokrat, sie ansprach und für die Kommunalpolitik „anwarb“.
Ihre Mitbürger wählten sie in die Stadtverordnetenversammlung und das Feuer war entzündet. „Es war total spannend. Damals wurden richtige Kampfreden gehalten“, erinnert sie sich zurück – und bei so mancher Diskussion und Entscheidung sei es eher ums Prinzip gegangen als die Sache an sich. „Es war schon aufregender als heutzutage“, sagt Ochs und bekennt: „Der Clinch hat Spaß gemacht.“ So habe sie auch mal mit Bürgermeister a.D. Manfred Hoim um 20 Pfennige gestritten.
Sie organisierte Ferienspiele,
Mittagstisch und Gartencafé
Die 67-Jähre sagt passenderweise über sich selbst, dass sie keine Diplomatin sei. Sie pflegt das offene Wort – auch wenn das für manche Menschen etwas zu direkt ist. Doch verstellen will sie sich nicht, betont sie und ergänzt, dass Bürgermeister Thomas Groll (CDU) über sie auch schon gesagt habe, dass sie früher kämpferischer gewesen sei. „Er war früher auch bissiger“, betont sie – und freut sich, dass der Rathauschef heutzutage „viel sozialer“ sei als in vergangenen Zeiten.
Von 1997 bis 2006 war Anita Ochs Ortsvorsteherin von Speckswinkel, also unter anderem, als das Dorf seine 775-Jahr-Feier ausrichtete. Danach fiel die Wahl ihrer Mitbürger auf Karl Stehl (CDU) – der sich übrigens auch aus der Politik zurückziehen will. „Das war natürlich völlig in Ordnung, denn so ist Demokratie“, sagt die Mutter zweier erwachsener Kinder. Es habe aber auch weh getan, nicht wiedergewählt zu werden. Ein Schmerz, den sie auf stadtpolitischer Ebene jedoch nie erleiden musste – ihre kommunalpolitische Pause Mitte der 1990er-Jahre war freiwilliger Natur.
Doch die gelernte Verkäuferin ist weit mehr als „nur“ Speckswinkler Kommunalpolitikerin: Zwölf Jahre lang nutzten sie und ihr Mann ihren Sommerurlaub, um Ferienspiele für das Dorf auszurichten. „Wenn man etwas Soziales macht, dann muss man mit Herz und Seele dahinterstehen“, betont sie und weigert sich, die Formulierung „ihren Sommerurlaub geopfert“ zu wählen: „Wir haben unseren Sommerurlaub für das Dorf investiert“, erklärt sie und betont, dass heutzutage zu wenige Menschen bereit seien, sich einzubringen, ohne eine Gegenleistung zu erwarten.
Ihr reicht es bereits, ein fröhliches Lächeln auf den Gesichtern ihrer Mitmenschen zu sehen oder die Dankbarkeit zu spüren: So wie beim Mittagstisch, den sie mit vier Frauen und ihrem Mann aus der Taufe hob – und der, wenn nicht gerade Corona dem Angebot einen Strich durch die Rechnung macht, sich großer Beliebtheit im Dorf erfreut: Einmal, zu Weihnachten, nutzten 90 Menschen in dem 500-Seelen-Dorf das Angebot im Zollhof.
Außerdem wirkte Anita Ochs viele Jahre an der Erstellung des Heimatkalenders mit, brachte sich bei der Gründung eines Frauenkreises und einer Frauenturngruppe ein – und setzte dann ein Projekt um, das quasi eine Antwort auf die zerbröckelnde Infrastruktur im Dorf war: Sie gründete gemeinsam mit ihrem Mann auf dem heimischen Hof ein Gartencafé.
Dessen erster Kommentar lautete zwar: „Du hast einen Sockenschuss.“ Und ihre Mutter erinnerte sie daran, dass sie nicht backen könne, doch auch da wusste Ochs sich zu helfen: „Das Backen machst Du ja auch“, lautete ihre Antwort. Und der Mut wurde belohnt. Zur Eröffnung rechneten die Speckswinkler Eheleute mit 20 Gästen – letztendlich kamen mehr als 100.
Und so ging’s auch weiter. Am Anfang hatten sie vier Torten im Angebot, eines Tages dann sieben, später mussten mehr als 20 Torten vorbereitet werden. Längst ging nichts mehr ohne Hilfe aus dem Dorf und den Nachbarorten. Doch auch damit ist nun Schluss. Es sei Absprache gewesen, mit dem Café aufzuhören, wenn Werner Ochs 70 Jahre alt wird. Das ist im März der Fall. In diesem Monat findet dann auch die Kommunalwahl statt. Anita Ochs steht zwar noch auf der Liste – allerdings ganz unten und nur zur Unterstützung. Eine politische Aufgabe wird sie nicht mehr übernehmen.