„Unsere Orientierung ist die Freiheit“

Ministerpräsident a. D. Volker Bouffier sprach in Neustadt zum Jahrestag des Volksaufstandes in der DDR
Neustadt. 130 interessierte Besucher waren in das Kultur- und Bürgerzentrum gekommen, um an einer weiteren zeitgeschichtlichen Veranstaltung der Stadt Neustadt teilzunehmen. Hessens langjähriger Ministerpräsident Volker Bouffier sprach an diesem Abend anlässlich des Gedenkens an die Geschehnisse des 17. Juni 1953 in der damaligen DDR.

Nach gekonnter Einleitung durch das Trio „Semplice“ begrüßte Bürgermeister Thomas Groll die Anwesenden. „Dass wir erneut einen Rekordbesuch verzeichnen können, spricht für diese Veranstaltungsreihe“, sagte der Bürgermeister.

Thomas Groll nannte die wichtigsten Fakten des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953. Fast in der gesamten DDR demonstrierten über eine Million Menschen für Freiheit, Demokratie und verbesserte Arbeitsbedingungen. Die sowjetische Besatzungsmacht schlug den Aufstand mit Panzern nieder. Mindestens 55 Menschen starben, 15.000 wurden verhaftet und über 1.000 zu Gefängnisstrafen verurteilt. Als Folge der damaligen Geschehnisse wurde die Staatssicherheit ausgebaut und die DDR zum „Spitzelstaat“.

Joachim Wermann floh 1952 mit 16 Jahren aus dem Erzgebirge in den Westen und fand wie viele andere Gelenauer auch in Neustadt eine 2. Heimat. Er trug ein kleines Gedicht zu den damaligen Geschehnissen vor und gedachte der Toten des Aufstandes. Ein authentischer Beitrag, der persönliche Betroffenheit zeigte, so Volker Bouffier anschließend.

Der ehemalige hessische Ministerpräsident spannte in seiner Rede den Bogen vom 17. Juni 1953 über den 9. November 1989 bis hin zur Gegenwart mit dem Ukraine-Krieg. Er stellte fest, dass die Menschen immer Orientierung bräuchten und die Freiheit des Einzelnen die beste Wegweisung sei. Hierfür hätten die Menschen vor siebzig Jahren in der DDR demonstriert. 1956 seien ihnen die Ungarn gefolgt, 1968 Tschechen und Slowaken und 1981 die Polen. „Freiheit lässt sich durch kein politisches System unterdrücken. Die Sehnsucht der Menschen danach lässt über kurz oder lang Diktaturen stürzen“, so der ehemalige Spitzenpolitiker.

Bouffier rief dazu auf, die Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg zu unterstützen. „Wer weiß denn schon, welchem Land Putin danach die Freiheit nehmen will? Die Erfahrungen von 1938 müssen uns hier Mahnung sein, Entschlossenheit zu zeigen“, so Bouffier auf das Münchner Abkommen anspielend. Aber auch im Inneren müsse der Freiheitsbegriff gelten. Eine Gruppe wie die „Klimakleber“ könnten nicht der Mehrheit ihren Willen aufzwängen. „Wir müssen dafür arbeiten, dass die Ränder nicht zu stark werden. Politik muss aus der Mitte heraus gemacht werden. Einsatz für die Demokratie ist gefragt, es gibt sie nicht umsonst“, betonte Volker Bouffier. Die Menschen in der DDR seien 1953 bereit gewesen, sich aktiv für die Freiheit einzusetzen, daran müssten wir uns heute orientieren.