Zur Geschichte des Turms

Von Florian Lerchbacher

Neustadt. „Das ist sehr, sehr gut investiertes Geld“, betonte Angela Dorn gestern, als sie den Junker-Hansen-Turm in Neustadt nach 18 Monaten Sanierung wiedereröffnete. Die Ministerin für Wissenschaft und Kunst (der unter anderem die Staatliche Verwaltung für Schlösser und Gärten untersteht, die für Neustadts Wahrzeichen zuständig ist) war restlos begeistert von dem Fachwerkbau im Herzen der Stadt, die im kommenden Jahr ihr 750-jähriges Bestehen feiert – mit Angela Dorn als Schirmherrin. Sie habe das historische Gebäude zwar schon öfters gesehen, berichtete sie.

Im Inneren war sie gestern jedoch zum ersten Mal. Besonderen Eindruck hinterließ dabei die Konstruktion des Dachstuhls, der sich in fast 50 Metern Höhe befindet.

Während der Sanierung wurden die schadhafte Eindeckung des Daches durch Zementfaserplatten ersetzt, die Dachschalung erneuert und Regenfallrohre, Dachrinnen und Wasserspeier sowie der Blitzschutz modernisiert. Eigentlich seien die Arbeiten hervorragend gelaufen, berichtete der aus Mengsberg stammende Projektleiter des Landesbetriebes Bau und Immobilien Hessen, Karl Heinz Waschkowitz.

Allerdings habe sich während der Arbeiten gezeigt, dass der Schaden am Fachwerk höher gewesen sei als erwartet: Statt zwei bis drei Kubikmetern Holz habe etwa die doppelte Menge ausgetauscht werden müssen – was dann auch bedeutete, mehr Gefache öffnen zu müssen. „Das bleibt bei historischen Gebäuden aber nicht aus“, erklärte er, schließlich zeige sich das tatsächliche Ausmaß immer erst, wenn die Reparaturen im Gange sind.

„Es ist immer gut, jemanden in der Stadtverordnetenversammlung sitzen zu haben, der sich mit dieser Problematik auskennt“, warf Bürgermeister Thomas Groll ein – im Eigentum der Stadt Neustadt befinden sich schließlich zahlreiche historische Gebäude, die jedoch immer wieder Sanierungskosten mit sich bringen. Der Junker-Hansen-Turm gehört indes nicht dazu: Die 970 000 Euro für die Reparaturen muss das Land Hessen zahlen. Ursprünglicher Ansatz waren rund 660 000 Euro. „Würden wir mit der Sanierung jetzt beginnen, wäre es noch viel teurer“, sagte Waschkowitz – insbesondere die Preise für Holz seien immens gestiegen. Das gelte auch für die alte Eiche, die bei der Sanierung zum Einsatz kam.

Als der Projektleiter darüber berichtete, wie Restauratoren im Handwerk die „altdeutsche Deckung“ mit Material aus dem letzten Schiefersteinbruch Deutschlands umgesetzt hätten, äußerte er noch eine Sorge: Angesichts des stark zurückgehenden Interesses an entsprechenden Ausbildungen im Handwerk sorge er sich, dass es eines Tages keine Experten mehr gebe, die Arbeiten dieser Art umsetzen können. An dieser Stelle gelte es dringend entgegenzusteuern.

Er widmete sich außerdem der Schieferverkleidung des Turmes an der Wetterseite. Diese werde zwar gerne mal von Menschen kritisiert, sie sei aber eminent wichtig, um den ältesten Fachwerkrundbau der Welt zu erhalten. Am sinnvollsten wäre es, den ganze Turm mit Schiefer zu ummanteln – was aber nicht geschehen werde.

„Konstruktiv wäre es aber die richtige Entscheidung“, sagte er und verwies darauf, dass die Anzahl von Starkregenereignissen und Stürmen zunehme, was die historischen Gebäude belaste. Gerade an einem Turm, an dem es auch noch zu Verwirbelungen komme, werde viel zu viel Wasser ans Fachwerk geblasen, was auf Dauer der Substanz schade.

Er sprach sich dafür aus, das Dach alle zwei bis drei Jahre mit Drohnen abzufliegen und kleinere Schäden mithilfe von Seilkletterern sofort zu beheben. Dem pflichtete Dr. Anja Dötsch, die Leiterin des „Fachgebietes Burgangelegenheiten und Denkmalpflege der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen“ bei: Langfristig sei das kostensparend, da durch das sofortige Beheben selbst kleinerer Schäden verhindert werde, dass Wasser ins Mauerwerk eindringt und Schäden anrichtet: So lasse sich das „Intervall der Grundinstandsetzungen“ deutlich erhöhen – sprich: Die Abstände zwischen großen Sanierungen könnten deutlich größer werden.

Eine Besonderheit der Sanierung: Bedingt durch den Brand der Kathedrale Notre-Dame in Paris seien die Sicherheitsvorkehrungen auf Baustellen an historischen Gebäude stark erhöht worden, so Waschkowitz.

Es habe beispielsweise striktes Rauchverbot geherrscht – und für den Notfall habe es eine Übung mit der Freiwilligen Feuerwehr Neustadt und der Höhenrettung gegeben, damit sich Helfer im 1481 bis 1483 erbauten Junker-Hansen-Turm auskennen und wissen, wie sie handeln müssen. Doch zum Glück habe die Theorie nie in der Praxis angewandt werden müssen.

Der Junker-Hansen-Turm wurde als Teil der Stadtbefestigung in den Jahren 1481 bis 1483 durch den landgräflichen Baumeister Hans Jakob von Ettlingen errichtet. Der Turm mit einer Höhe von 48,80 und einem Durchmesser von 12,60 Metern ist nach seinem Bauherrn, dem oberhessischen Hofmeister Hans von Dörnberg (1427–1506) benannt.