Zwei Konzerne liefern sich ein Duell

Eon und Ovag konkurrieren bei der Vergabe der Stromnetze von Neustadt und Stadtallendorf
Wer wird der Partner der Städte Stadtallendorf und Neustadt auf dem Weg zum Stromnetzbetrieb? Die Energiekonzerne Epn Mitte AG und Ovag AG liegen mit ihren Angeboten offenbar eng beieinander.
von Michael Rinde
Neustadt / Stadtallendorf.
Für die Neustädter Stadtverordneten und Stadträte war die Haupt- und Finanzausschuss-Sitzung am Dienstagabend ein „Stochern im Nebel“. Denn die Parlamentarier hatten überraschenderweise eigentlich noch nichts zu entscheiden. Ursprünglich hätte der Ausschuss sich auf ein Energieunternehmen als Partner festlegen sollen, um dann gleich auch noch die Zusammenarbeit mit der Nachbarstadt Stadtallendorf zu besiegeln.
Insider waren vor der Sitzung davon ausgegangen, dass Eon Mitte als klarer Favorit gegenüber der oberhessischen Ovag AG in diese öffentliche Debatte geht. Der frühere dritte Bieter für das Netz, die Marburger Stadtwerke, hatte sich an der entscheidenden Angebotsrunde nicht mehr beteiligt, wie Dienstagabend offiziell wurde.
Doch am Dienstag gab es tagsüber noch lange Aufklärungsgespräche über die Angebote Beider Energiekonzerne. Seitdem liegen neue Zahlen auf dem Tisch Offenbar liegen die Angebote beider Bewerber jetzt nicht mehr weit entfernt voneinander, wie in der Neustädter Ausschuss-Sitzung deutlich herauszuhören war. Über Zahlen und Details wollten am Dienstagabend aber weder Bürgermeister Thomas Groll (CDU) noch die Berater der Anwaltskanzlei Kehr-Ritz sprechen. Denn das formale Verfahren läuft noch. Doch in den nächsten Tagen müssen zunächst noch zahlreiche neue Zahlen ausgewertet werden, bevor eine Neubewertung beider Angebote möglich ist. Noch ist auch die Entscheidung, ob beide Städte gemeinsam in eine Betreibergesellschaft für ihre Stromnetze einsteigen, nicht endgültig gefallen. Rechtsanwalt Reinhard Kehr-Ritz, der beide Städte berät, riet jedoch den Neustädter
Parlamentariern dringend zur Zusammenarbeit mit der großen Nachbarstadt.
Das Ziel beider Städte liegt auf der Hand: Beide wollen mehr Geld verdienen als bisher durch die Konzessionsabgabe.
„Es wird keine Entscheidung durchgepeitscht“,
Thomas Groll, Bürgermeister
Gleichzeitig wollen sie Eigentum zumindest an einem Teil ihrer Netze zurückerlangen, auch wenn dies 20 Jahre dauert. Attraktiv ist besonders das Stadtallendorfer Netz. Dort geht es nicht nur um das Niederspannungs- sondern auch das Mittelspannungs-Netz, an dem
Großunternehmen wie Ferrero hängen. Beim Stadtallendofer Mittelspannungsnetz, das lukrativ wäre, deutet sich auch eine Annäherung zwischen den Städten und den Energiekonzernen an.
Um ins Netzgeschäft zu kommen müssten, stark vereinfacht ausgedrückt, beide Städte eine Betreibergesellschaft mit einem der beiden Energiekonzerne gründen. Der Energieversorger soll das Netz dann pachten, die Pacht flösse den Städten anteilsmäßig zu. Bei der Eon Mitte AG hätten die
Städte zusammen 49 Prozent Anteil, bei der Ovag 51 Prozent. Doch allein über die Höhe der Anteile lassen sich die Angebote, die jeweils aus drei Aktenordner bestehen, nicht vergleichen.
Beide Energiekonzerne haben Stadtallendorf und Neustadt außerdem zugesagt, in Stadtallendorf eine Betriebsstätte mit bis zu zehn Arbeitsplätzen zu schaffen. Hinter dem Wort Betriebsstätte verbirgt sich ein Service-Stützpunkt, wie ihn Eon zum Beispiel in Gisselberg betreibt oder in Kirchhain betrieben hat. Dadurch erhielten beide Städte zusätzliche Gewerbesteuer-Einnahmen in jährlich fünfstelliger Höhe. 80 Prozent davon bleiben in Stadtallendorf, 20 Prozent gehen nach Neustadt.
Groll wie auch sein Stadtallendorfer Amtskollege Manfred Vollmer (CDU) sehen das Geschäft mit dem Stromnetz langfristig. „Unter dem Strich wollen wir mehr Geld einnehmen, es stammt aber, anders als bei der bisherigen Konzessionsabgabe aus mehreren Quellen“, verdeutlicht Vollmer. Egal, welcher Partner es am Ende sein wird, Neustadt und Stadtallendorf werden sich über 20 Jahre an die Beteiligungsgesellschaft binden.
In Neustadt wollen die Parlamentarier am 14. März wieder beraten und möglicherweise auch entscheiden. Groll sagte den Stadtverordneten allerdings zu: „Es wird keine Entscheidung durchgepeitscht. Ich möchte ein einstimmiges Votum“.