Am Montag fällt das Deutsche Haus

Ehemalige Brauerei und Gaststätte war lange ein beliebter Treffpunkt am Ende aber nur noch ein Schandfleck
Am Montag kommen die Bagger und machen mit dem Deutschen Haus ein Stück Neustädter Stadtgeschichte dem Erdboden gleich.
von Florian Lerchbacher
Neustadt. Der Abriss des Deutschen Hauses ist seit Monaten beschlossene Sache. Nach vielen Jahren, in denen das Gebäude leer stand und immer weiter verfiel, fand die Stadt Neustadt einen Interessenten. Hephata baut eine Einrichtung für betreutes Wohnen, in der 16 behinderte Menschen Platz finden. Eine Sanierung hätte rund 1,6 Millionen Euro gekostet -was für das Diakoniezentrum nicht wirtschaftlich gewesen wäre, also entschlossen sich die Verantwortlichen für einen Neubau, der rund 1,2 Millionen Euro kostet [die OP berichtete).
Am Montag beginnt also der Anfang vom Ende des 1812 errichteten Deutschen Hauses. „Es tut weh, dass das Anwesen verschwindet. Aber es war so marode, dass es nicht mehr zu halten war“, sagt Ehrenstadtrat Ludwig Dippel und erinnert sich zurück: Erstmals war er als Fünfjähriger im Jahr 1934 mit seiner Mutter im Deutschen Haus: „Regelmäßig kam ein Rechtsanwalt und Notar in das damalige Gasthaus. Während meine Mutter mit ihm sprach, staunte ich über die vielen Biergläser, den Zapfhahn an der Theke und all die spannenden Sachen, die einst zur Brauerei gehörten.“
1875 hatte Friedrich Huber, der spätere Bürgermeister von Neustadt (1897 bis 1906) das Anwesen von der Familie Wurzer erworben. Bis 1910 braute er im ehemaligen Sudhaus (das Gebäude ist bereits abgerissen) Bier und lieferte es sogar bis nach Amerika aus. Dann jedoch kam das große Sterben kleiner Brauereien und die Herkules-Brauerei aus Kassel kaufte das Anwesen. Nur wenige Monate später verkaufte sie es weiter an
Carl-Heinrich Gies – allerdings ohne Braurecht. Gies gründete einen Getränkehandel und stellte Limonade her, was ihm den Spitznamen „Sprudel“ einbrachte – entsprechend hieß es früher oft, wenn Bürger ausgingen: „Mer gie noch Sprudels“. Und so erinnert sich auch Dippel gerne zurück: „Wir haben dort viele schöne Feste mit Freunden gefeiert und dabei Volkslieder gesungen. Es war wunderschön und gemütlich.“
Die Familie Gies betrieb das Deutsche Haus bis in die 1970er Jahre und verpachtete das Wirtschaftsgebäude auf der rechten Seite des Anwesens noch mehrfach, berichtet Dippel – zwischenzeitlich wurde auch dort eine weitere Gaststätte eingerichtet, dann wiederum beherbergte es verschiedene Geschäfte.
„Nach der Schließung der Gaststätte wurden mehr als 40 Asylbewerber über viele Jahre in dem Gebäude untergebracht“ berichtete Dippel. Seit 1999 stand es leer und verfiel immer weiter. Am Ende war das einstige Aushängeschild zum Schandfleck mutiert. Dippel ist froh, dass die Stadt mithilfe von Hephata zu einer Lösung gekommen ist und freut sich: „So wird vielen Menschen geholfen, wieder in der Gesellschaft zu leben. Die Behinderten finden eine neue Bleibe, außerdem entstehen neue Arbeitsplätze.“