Auf die Feinheiten kommt es an

Zwölf Profis beteiligten sich am Straßenmalerfestival – Trümpert verärgert über Verhalten einiger Besucher
Die Straße ist ihre Leinwand und die Neustädter Marktstraße ihre Galerie. Was die Straßenmaler beim 11. Neustädter Festival mit Kreide auf den Asphalt zauberten, sorgte für viel Begeisterung.
von Karin Waldhüter
Neustadt. Unter den Augen vieler Zuschauer malen – dieser Herausforderung stellten sich zwei Tage lang 107 Laienkünstler und 12 Profimaler. Ob einfache Zeichnungen von Kindern oder kreative 3D-Werke, die fantasievollen Gemälde brachten hunderte Zuschauer ins Staunen. Denn ein solches Bild auf die Straße zu zaubern ist eine Herausforderung, bei den heißen 30 Grad vom Samstag sicherlich erst recht. Da hätte es den nächtlichen Gewitterregen und den kurzen Schauer am Sonntagnachmittag wahrlich nicht gebraucht.
Doch mittlerweile können die Künstler in Neustadt gut mit solchen Wetterbedingungen umgehen. Beim Malen fixieren sie die Bilder mehrfach mit Grundierung und machen sie somit haltbar.
Dennoch mussten am Sonntagmorgen einige Künstler ihre Bilder nachbessern.
Doch schlimmer als der Schaden, den der Regen verursachte, sei der, den Autofahrer anrichteten, die nachts trotz Straßensperren und Security respektlos über die Bilder gefahren seien, empörte sich Roswitha Trümpert, Vorsitzende des Arbeitskreises Straßenmalerfestival: Der Vorfall mache sie wütend und werde polizeiliche Konsequenzen haben. Zudem seien malende Mädchen belästigt und Mitarbeiter sexistisch bedroht worden. Alle Maler, die nach Neustadt kommen, lebten Respekt und Integration.
Umso mehr ärgere es sie, dass es immer Menschen gebe, die das nicht könnten, sagte Trümpert, um dann zu betonen: „Es macht uns stolz, dass weltweit tätige Künstler gerne zu uns kommen.“ Einer davon ist Filip Mrvelj. Der Kroate war zum ersten Mal in Neustadt dabei. Vorzeichnen, immer wieder nachmessen, die perspektivischen Kanten festlegen und schließlich malen – dabei konnten die Gäste den 3D-Profimaler beobachten. „We are all Earthmen“ nannte er sein Bild, das aus einem bestimmten Blickwinkel betrachtet für eine faszinierende optische Illusion sorgte.
Für den heimischen Profimaler Nikolaj Arndt sind es die Kleinigkeiten bei der Fertigstellung, die für ihn eine besondere Schwierigkeit darstellten. Immer wieder wechselte er seinen i Standort, um die 3D-Wirkung seines Bildes „Gebrochene Erde“ noch einmal zu überprüfen. Auf die raffinierteste Art und Weise bezog er die Besucher mit ein, indem sie selbst Teil seines Kunstwerkes werden konnten.
Ebenfalls zum ersten Mal in Neustadt dabei war Profimalerin Agnes Preszler aus Italien, genau wie Profimaler Abraham Burciaga aus Mexiko. Sein vielbeachtetes Bild steht für Integration und den gegenseitigen Respekt von Mensch, Tier und Natur. Kaum weniger Beachtung fanden die Asphaltkunstwerke der Laienkünstler, die mit ihrer Kreide eine erstaunliche Vielfalt an Motiven auf den Asphalt zauberten.
Jedes Kunstwerk wurde von einer Jury bewertet, und die drei ^ besten Künstler aus sechs Altersklassen geehrt.
Für jedes Kindergartenkind gab es eine Urkunde und Medaille. Die Gruppensieger erhielten Geldpreise.
Eröffnet wurde das Festival am Freitagabend mit einer Fotoausstellung von Jürgen Schmittdiel, Livemusik von Artur Seewald und Geschichten der Marburger Märchenerzählerin Karin Kirchhain.
Erstmals hatte der Arbeitskreis Straßenmalerfestival in diesem Jahr mit „Die Welt zu Hause in Neustadt, Integration und Inklusion“ der Veranstaltung ein Motto gegeben, um damit deutlich zu machen, dass jeder willkommen sei. Und zwar un: abhängig von Religion, Hautfarbe, Geschlecht oder einem Handicap, wie Trümpert herausstellte. Bürgermeister Thomas Groll freute sich, unter den knapp 50 Besuchern viele Gesichter begrüßen zu können, die nicht zum „Standardpublikum“ gehörten. Wenn man schaue, woher die Maler alle kämen, könne man bald von einem internationalen Festival sprechen, so Bürgermeister Groll.
Im historischen Rathaus präsentierte Jürgen Schmittdiel knapp 50 Fotografien mit dem Schwerpunkt Natur und Reise.
„Wobei mich alte Bäume magisch anziehen“, unterstrich Schmittdiel, der zu einem regen Austausch einlud.
Für das passende Festivalgefühl sorgte an beiden Tagen ein musikalisches Rahmenprogramm mit Artur Seewald aus Schwalmstadt, dem Pop-Duo
Marius Tietz & Konrad Ivo aus Berlin, Sophia Olmesdahl aus Gilserberg und der Rockcoverband „New Pony“ aus Nistetal. Es gab außerdem Kinderschminken, Henna- und Glitzer- Tattoos, eine Steine-Malaktion und Stelzenkünstler „Ringelschlingel“.