Bürgermeister aus ganz Deutschland tagen mit Verteidigungsminister in Bonn / Konzepte für geschlossene Kasernen – MNZ

Das lange, bange Warten auf die Konversion
Von Pascal Reeber (0 64 28) 44 88 40 redaktion.mnz@mail.mittelhessen.de
Neustadt/Bonn. Das Wort „Konversion“ hat einen verblüffenden Aufstieg erlebt. Vor Jahren noch unbekannt ist es nun Reizwort und Hoffnungsträger zugleich. Denn Konversion bedeutet soviel wie „Umnutzung“, im konkreten Fall die Umnutzung von Bundeswehrliegenschaften, aus denen sich die Armee zurückzieht. Besonders davon betroffen im Landkreis Marburg-Biedenkopf ist heuer nur Neustadt. Die Ernst-Moritz-Arndt-Kaserne soll bis Juni 2008 schließen.
Marburg hat die Truppenabzug und Konversion bereits zweimal erlebt, Stadtallendorf bleibt sie erspart. Gestern tagten in Bonn die vom Truppenabzug betroffenen Bürgermeister, Landräte und Ministerpräsidenten mit Verteidigungsminister Peter Struck (SPD). Mit dabei war auch Neustadts Bürgermeister Manfred Hoim (CDU). Landrat Robert Fischbach (CDU) konnte nicht teilnehmen.
Nach Darstellung des Verteidigungsministeriums waren bei der Infoveranstaltung in Bonn Informationsvorträge aus den Ministerien für Finanzen und für Verkehr, Bau und Wohnungswesen vorgesehen. Beispiele erfolgreicher Konversion wurden gezeigt. Dabei ist lange bekannt, dass die jetzige Konversion schwerer wird als je zuvor, denn Zuschüsse wie in den Neunziger Jahren fließen nicht mehr.
Vermitteln möchte das Ministerium vielmehr know-how:
„Es soll dargestellt werden, wie gegebenenfalls die Bundesregierung Hilfe und Unterstützung im Hinblick auf die Verwertung und Anschlussnutzung der ehemaligen Bundeswehrliegenschaften leisten kann“, lautete die Ankündigung in ‚der Fressemitteilung des Ministers.
Was bei dem Treffen für Neustadt konkret herausgekommen ist, ist noch unklar. Bürgermeister Manfred Hoim war gestern nach der Rückkehr aus Bonn leider nicht mehr zu sprechen. Große Hoffnungen an die Veranstaltung hatte er sich aber schon vorher nicht gemacht.
Städtisches Interesse an der Kaserne hat es bisher nicht gegeben. Immerhin ist die Ernst-Moritz-Arndt-Kaserne gut 35 Hektar groß und liegt am Stadtrand, weitab der Bundesstraße 454 und damit selbst beim Bau der Autobahn 49 weitab von einer Anschlussstelle. Den technischen Anlagen in Neustadt wird
durchweg ein schlechterer Zustand bescheinigt als denen in Stadtallendorf. Wohnraum und freie Gewerbeflächen hat Neustadt ebenfalls genug und daher keine Verwendung für die Kasernenbauten.
Beispiel Marburg
Beispiele für die erfolgte Konversion finden sich beim Ministerium dennoch zuhauf: Die Marburger Kasernen ereilte die Schließung zeitlich versetzt. Während die Vermarktung der Jägerkaserne – direkt in der Innenstadt gelegen -leicht war, dauerte es am Tannenberg länger. Hier zogen aber schließlich Gewerbebetriebe ein.
Beispiel Landshut
Auch Landshut hat die Konversion durch, worin eine Kaserne in ähnlicher Größe wie Neustadt zum Messegelände umfunktioniert wurde. Die Schoch-Kaserne lag ebenfalls nicht ganz zentral, fünf Minuten vom Zentrum entfernt. Die Stadt Landshut (60 000 Einwohner) kaufte das Gelände, errichtete dort ihr neues Messegelände als Ausgleich für Flächen in der Innenstadt. „Wir haben versucht, uns eine Perspektive für die Zukunft zu schaffen“, sagt Fressesprecherin Ulrike Faber-Selmeier. Mit der Einweihung einer neuen Halle hat man sich auch Konzerte und Sport in die Stadt geholt. Das alles kann sich eine Stadt mit 60 000 Einwohnern leisten – aber Neustadt?
Beispiel Wetzlar
Auch in Wetzlar, einst größte Garnisonsstadt in Hessen, hat man die Konversion erfolgreich bewältigt. Allerdings flössen auch kräftig Zuschüsse, nachdem 1993 die Schließung über die Bühne ging. Allein der Bund beteiligte sich mit knapp fünf Millionen Euro an der Herstellung und dem Erhalt der Infrastruktur. Und schließlich waren in Wetzlar wie auch in Marburg die Militäranlagen zentral und gelegen, boten sich sowohl als Wohnraum sowie für die Gewerbenutzung regelrecht an.