Eine Schnecke soll Gewalt vorbeugen

Präventionsprojekt mit zahlreichen Kooperationspartner startet Handpuppen spielen Möglichkeiten durch
Der Landkreis Marburg-Biedenkopf bringt in Neustadt ein Programm zur Gewaltprävention auf den Weg, an dem sich Stadt, Schulen, Kindergärten und die Uni Marburg beteiligen.
von Florian Lerchbacher
Neustadt. Der „Wilde Willy“ und der „Ruhige Schneck“ ziehen in Neustadts Kindergärten ein. Die beiden Handpuppen sind Teil des Konzeptes „Faustlos“. Mit ihrer Hilfe werden die Erzieherinnen gemeinsam mit den Kindern Konfliktsituationen durchspielen und schauen, was für Reaktionsmöglichkeiten es gibt.
Doch das Gewaltpräventionsprojekt beschränkt sich nicht nur auf die Kindergärten und auf „Faustlos“: Stadt, Schule, Schul- und Jugendamt sowie die Uni Marburg gehen eine Kooperation ein, um ein Netzwerk zu schaffen. So sollen Kinder von klein auf und über die Jahre sowie Institutionsgrenzen hinweg begleitet werden.
Primäres Ziel der Kooperationspartner ist es, ein umfassendes Programm zu entwickeln, mit dem der Entstehung und Entwicklung von Aggression und Gewalt frühzeitig präventiv entgegengewirkt wird. Die Kinder sollen durch Stärkung ihrer sozialen Fähigkeiten, ihrer Impulskontrolle und durch den Abbau von Ängsten in die Lage versetzt werden, mit Konflikten gewaltfrei und konstruktiv umzugehen.
„Wir wollen Kinder präventiv stärken und nicht erst bei Jugendlichen ansetzen, die schon auffällig geworden sind“, erläutert Prof. Dr. Ulrich Wagner von der Arbeitsgruppe „Sozialpsychologie“ des Fachbereichs Psychologie der Uni Marburg, die den Prozess fachlich begleitet. „Streitschlichter haben wir schon etabliert, aber der Unterbau fehlt. Wir möchten Probleme frühzeitig minimieren“, ergänzt Hartmut Boß, der Leiter der Gesamtschule Neustadt.
„Wir müssen Fehlbildungen in der Gesellschaft angehen. Gerade in kleinen Gemeinden ist es wichtig, wenn Schulen und Kindergärten kooperieren. Die Kinder tragen die Ansätze weiter in die Familien – oft gibt es auch Eltern, denen es gut tun würde, Informationen über Gewaltfreiheit zu erhalten“, sagt Bürgermeister Thomas Groll. „Und die Ideen gehen weiter – wir wollen sie auch im Gemeindeleben etablieren, zum Beispiel in Sportvereinen“, fügt Wagner hinzu.
Elisabeth Schäfer vom Staatlichen Schulamt freut sich, dass in Neustadt nun „Vernetzung gelebt wird“ und das Projekt Meilensteine auf dem Weg zur Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsplanes setzt.
Martin Schneider vom Kreiselternbeirat sagt, ein „lange gehegter Traum“ werde wahr. Um das Projekt zu unterstützen stellt der Beirat 800 Euro zur Verfügung, die er für sein Engagement von dem Versicherer „Combined“ und der Oberhessischen Presse (über das Internetportal myheimat) als Preis erhalten hatte. In Sachen Finanzen sieht Groll das Land Hessen und den Bund in der Pflicht: Um das Projekt etablieren und fortsetzen zu können, müsse es finanzielle Unterstützung geben: „Bund und Länder müssen nicht nur reden, sondern auch handeln. Den Kreisen und Kommunen fehlt das Geld.“