Fordern und Fördern ist das neue Rezept

Integrierte Gesamtschule Neustadt mischt pädagogische Zutaten für ein überarbeitetes Schulkonzept
In der Integrierten Gesamtschule Neustadt werden die Schüler gemeinsam unterrichtet aber individuell gefördert. Wie funktioniert das? „Gut“, meint der Schulleiter.
von Tobias Hirsch
Neustadt. Seit acht Wochen trägt die Gesamtschule Neustadt ein zusätzliches Wort in ihrem Namen: Integrierte Gesamtschule Neustadt. Das scheint zwar nur ein kleiner Zusatz am Klingelschild zu sein, aber hinter den Türen hat sich um so mehr verändert. Die stehen jetzt nämlich offen.
10.17 Uhr im Treppenhaus der fünften Klassen. Auf dem Stundenplan steht „Freies Lernen“ und die Türen stehen sperrangelweit offen. Krach, Kinder die durchs Treppenhaus toben -Fehlanzeige. Die Schüler sitzen auf den Stühlen, die Köpfe hängen tief über den Büchern. Alles ist still – und der Platz an der Tafel leer.
Das „Freie Lernen“ ist ein Baustein des Konzepts Integrierte Gesamtschule. Insgesamt vier Wochenstunden – jeweils eine Stunde Mathe, Deutsch, Englisch und Gesellschaftskunde -wird auf diese Weise „unterrichtet“. Die Lehrer stellen Wochenaufgaben und geben in den Klassen Hilfestellung. Die Schüler entscheiden selbst, was sie wann bearbeiten. Bedingungen: Angefangene Aufgaben müssen beendet und nicht erfüllte am Wochenende mit nach Hause genommen werden. Celina Rang findet diese Art von Unterricht angenehm: „Man kann sich besser auf die Aufgaben konzentrieren und in Ruhe arbeiten“. Vor allem aber schätzt die Zehnjährige, dass „ich entscheide, was ich mache“ – selbstverständlich im vorgegebenen Rahmen. Und genau dieses selbstständige Arbeiten ist es, worauf Hartmut Boß abzielt. Individualisiertes Lernen, nennt das der Schulleiter. „Kinder müssen möglichst früh ihre Lernprozesse selbst in die Hand nehmen und lernen, eigenverantwortlich zu arbeiten“, sagt Boß.
Die IGS fordert ihre Schüler, aber sie fördert sie auch: Im Fachunterricht gehören daher Differenzierungsangebote schon ab der fünften Klasse zu einem festen Bestandteil. An der IGS Neustadt können die Schüler ihre Interessen in Sport und Musik in so genannten Neigungskursen vertiefen. „Wir werden das Angebot in Zukunft sicherlich ausdehnen“, sagt Stufenleiterin Carmen Fütterer.
Umfangreich hingegen ist das bereits bestehende Nachmittagsangebot: 18 Kurse stehen dort den Schülern zur Auswahl – von einer naturwissenschaftlichen Forscher-Werkstatt über Kung-Fu bis hin zum Yoga. Der Erfolg des Angebots spricht für sich: Alle Kurse sind ausgebucht, sogar die am Freitagnachmittag. „Wenn man Spaß an etwas hat, lernt man auch besser“, meint Boß, „das ist eine Binsenweisheit der Pädagogik“.
Spaß am Lernen will die IGS Neustadt auch mit anderen Instrumenten erreichen – durch die individuelle Förderung. Und das funktioniert so: jeder Schüler erhält entsprechend seiner Kompetenz unterschiedliche Aufgaben. So wird keiner über- oder unterfordert. „Die Starken kultivieren und die Schwachen aufbauen“, so beschreibt Schulleiter Boß das Prinzip. Problem des Frontalunterrichts sei nämlich, alle Schüler auf dem gleichen Level zu halten. Durch individuelle Aufgaben hingegen werde jeder Schüler in der Klasse entsprechend seines Könnens gefördert. Ab der siebten Klasse werden die Schüler dann in den Hauptfächern Mathe, Deutsch und Englisch in Grund- und Erweiterungskurse eingeteilt.
Eine Neuheit fällt den Schülern besonders auf: Sie müssen sich nicht ständig neue Gesichter merken. In den drei fünften Klassen der IGS Neustadt unterrichtet ein Team aus acht Lehrern. Dieses Team wird die Schüler bis zum Abschluss begleiten. Sie bereiten die Unterrichte gemeinsam vor und arbeiten auch sonst eng zusammen. „Das ist gewinnbringend für jeden“, meint Fütterer. Die Schüler haben über fünf Jahre die gleichen Kontaktpersonen und die Lehrer müssen nicht als Einzelkämpfer auftreten.

Die Integrierte Gesamtschule (IGS)
ist eine Schule, in der Schüler mit Haupt-, Real- und Gymnasialempfehlung gemeinsam unterrichtet werden.
Eine der individuellen Leistungsfähigkeit entsprechende Differenzierung findet in Grund- und Erweiterungskursen statt. Ziel der IGS ist, dass die Schüler das gemeinsame Lernen und den sozialen Umgang miteinander erleben und gleichzeitig entsprechend ihrem individuellen Leistungsvermögen unterrichtet und gefördert werden.