Gesamtschule darf Gymnasialzweig behalten – MNZ

Bürgermeister Hoim kritisiert Schulleitung trotz Teilerfolg: Wurden Eltern zuvor nicht genug informiert?
Von Susanne Pohlig (0 64 28) 44 88 40 s.polig@mittelhessen.de
Neustadt. Die gute Nachricht kam gleich zu Beginn: „Der gymnasiale Zweig wird auch im Schuljahr 2006/2007 an der Gesamtschule Neustadt weiter besetzt.“ Mit diesen Worten leitete Neustadts Bürgermeister Manfred Hoim (CDU) die gestrige Sondersitzung des Parlaments zur Zukunft der Schule ein – und nahm damit einigen Rednern den Wind aus den Segeln.
Die Absicht der hessischen Kultusministerin Karin Wolff (CDU), den gymnasialen Zweig der Gesamtschule aus Schülermangel zu schließen, „hat uns alle bewegt“, sagte Hoim. Deswegen hätten er und Landrat Robert Fischbach nach zahlreichen Briefen und persönlichen Diskussionen mit Wolff „was machbar war, in die Wege geleitet“. Die Ministerin habe ihn vorgestern angerufen, erklärte Hoim, und die frohe Botschaft verkündet. Applaus von den rund 100 anwesenden Eltern im Zuschauerraum gab es nicht. Stadtverordnetenvorsteher Thomas Groll (CDU) hatte zuvor darauf hingewiesen, dass Klatschen in Parlamentssitzungen nicht erwünscht ist.
„Der erste Schritt ist getan“, begrüßte auch der geladene Schuldezement des Landkreises, Karsten McGovern (Grüne), den Entschluss Wolffs. Doch nun müsse man zügig die Umgestaltung in eine integrative Gesamtschule (IGS) voranbringen. Ein Plan, den der Kreistag schon längst beschlossen, das Kultusministerium aber nicht abgesegnet hat.
Die Sicherung der fünften Gymnasialklasse für das kommende Schuljahr sei unabdingbare Voraussetzung für eine IGS. Schätzungsweise 65 Schüler gebe es an der Neustädter Gesamtschule pro Jahrgang für die fünfte Stufe. „Wenn kein gymnasialer Zweig besteht, melden viele Eltern ihre Kinder gleich an Schulen an, die einen leichteren Durchgang zum Gymnasium erlauben – oder direkt an einem Gymnasium.“ Dann blieben für die Gesamtschule zu wenige übrig.
Nicht auf dem Erfolg ausruhen
Dass eine integrative Gesamtschule für Neustadt die beste Lösung wäre, um langfristig ein gutes Schulangebot zu halten, darüber waren sich alle einig – allein schon wegen der sinkenden Geburtenzahlen, die Schulleiter Hartmut Boß erwähnte. Die Vorsitzende des Schulelternbeirats, Andrea Bauscher, sagte, man dürfe sich nicht auf dem jetzigen Teilerfolg ausruhen: „Ich wür;
de mein Kind nicht in die fünfte Klasse geben, wenn ich nicht weiß, ob es die letzte ist.“ Die IGS-Entwicklung müsse dringend vorangetrieben werden.
Bürgermeister Hoim konnte am Ende doch nicht ganz mit Kritik hinterm Berg halten. Dass innerhalb von zehn Tagen weitere zehn Schüler für die in Frage gestellt fünfte Klasse angemeldet worden waren, stimme ihn nachdenklich. „Warum war dieser Zuwachs vorher nicht möglich? Waren die Eltern nicht unterrichtet? Ist von Schulseite nicht genug für die Sensibilisierung getan worden?“ Schulleiter Boß ließ den Vorwurf unkommentiert.
„Ich appelliere an die Eltern, den Worten und der Unterschriftenaktion Taten folgen zu lassen und das Bildungsangebot in Neustadt zu nutzen“, fügte Thomas Groll hinzu. Besonders in den Ortsteilen gebe es Kinder, die durchaus nach Neustadt zur Schule gehen könnten. Eine integrative Gesamtschule für Neustadt hält Groll jedenfalls für durchsetzbar: „Frau Wolff hat sich einmal bewegt. Sie scheint für weitere Argumente sehr wohl zugänglich zu sein.“