Hammer fällt über Kantine – MNZ

Amtsgericht versteigert ehemaliges Ergee-Anwesen in Neustadt
Von Pascal Reeber
Neustadt/Kirchhain. Es ist das drittteuerste Anwesen, das die Gerichte im Kreis zu versteigern haben: Am 29. Juli kommt der Wohn- und Geschäftskomplex an der Emil-Rössler-Straße 2 in Neustadt unter den Hammer. Geschätzter Wert: 650 000 Euro.
1938 gebaut, diente der H-förmige Bau im Zweiten Weltkrieg der Versorgung von Fremdarbeitern der Sprengstoffwerke in Allendorf „Es gibt zwei große Säle mit einer sehr schönen Fachwerkkonstruktion“, berichtet Ehrenstadtrat Ludwig Dippel. Nach dem Krieg sei der Bau dann im Besitz der Strumpffabrik Ergee gewesen, die mehrere tausend Menschen in Neustadt beschäftigte. Sie richtete Speisesäle ein, sagt Dippel.
Heute beherbergt der Bau ein Fitnessstudio und fünf Wohnungen im Keller- und Dachgeschoss. Außerdem ist eine kleine Gastwirtschaft mit Kegelbahn untergebracht. Im westlichen Querflügel befindet sich das Lager einer Spedition. Die Wohnungen haben eine Größe von zusammen 340 Quadratmetern, der ganze Bau bietet 2866 Quadratmeter Fläche.
■ Laut Gutachten muss der neue Besitzer dringend ins Dach investieren
Nach einem Gutachten zur Versteigerung ist das Dach dringend sanierungsbedürftig. Außerdem müssten mehrere Anbauten an der Nordwestseite bald abgerissen werden.
Der Bau kommt auf Betreiben einer Bank unter den Hammer. Der Besitzer sei seinen Verpflichtungen an das Institut nicht nachgekommen – nun werde versteigert, berichtet Rechtspfleger Stephan Staehr vom Kirchhainer Amtsgericht. Erster Termin ist Mittwoch, 29. Juli, 12 Uhr.
Ob es gleich beim ersten Termin einen Zuschlag gibt, steht nicht fest. Das Gericht ist an diesem Tag an bestimmte Wertgrenzen gebunden, unterhalb derer es den Zuschlag verweigern muss. Beim ersten Termin ist das die Fünf-Zehntel-Grenze. Sprich: Bei Geboten unter 50 Prozent des geschätzten Wertes muss das Gericht den Zuschlag verweigern. Unterhalb von 70 Prozent kann die Bank den Zuschlag ablehnen.
Diese Grenzen fallen nach dem ersten Gebot: Im nächsten Termin gibt es sie dann nicht mehr. Zum Schnäppchen wird die Immobilie aber nicht: Das Gericht ist an den Grundgesetz-Artikel 14 gebunden, der ihm gebietet, Eigentum zu schützen. „Auch wenn die Wertgrenzen weg sind, müssen wir sehr genau prüfen, dass die Immobilie nicht verschleudert wird“, sagt Stähr. Darüber hinaus hat der Gläubiger, in diesem Fall die Bank, das Recht, jederzeit die Einstellung des Verfahrens zu beantragen.
Wer das Anwesen in Neustadt kaufen will, muss schon zum ersten Termin ausreichend „flüssig“ sein. „Ein möglicher Käufer muss im Gericht eine Sicherheit leisten, üblicherweise zehn Prozent des Verkehrswertes, in diesem Fall also 65 000 Euro“, sagt Stähr. Bargeld akzeptiert das Gericht nicht. Wer steigern will, muss die Sicherheit in Form eines Bankschecks vorlegen.