Informationsabend in Neustadt zur integrierten Gesamtschule
Neustadt. Wie funktioniert eine integrierte Gesamtschule? Mit dieser Frage beschäftigten sich am Mittwochabend Pädagogen und Eltern in der Cafeteria der Gesamtschule Neustadt.
von Tobias Hirsch
Eine integrierte Gesamtschule funktioniert im Grunde ganz einfach: Alle Schüler einer Jahrgangsstufe werden in einer Klasse unterrichtet. Es gibt keine Noten, und kein Schüler muss um seine Versetzung bangen.
Dieser Schülertraum ist auch ein Traum der Gesamtschule Neustadt. Schulleiter Hartmut Boß will das Modell der integrierten. Gesamtschule (IGS) an seiner Schule etablieren. Der Grund ist die Sorge um den Fortbestand des Gymnasialzweiges in Neustadt. 37 Schüler sind in diesem Jahr für die fünfte Gymnasialklasse angemeldet – 40 hätten es eigentlich sein müssen. Das Kultusministerium drückte noch mal ein Auge zu – für dieses Jahr.
Da eine Trendwende zu einem Schüleransturm aufgrund der demografischen Entwicklung nicht zu erwarten ist, soll sich nach den Wünschen der Schulgemeinde nun die Schulform ändern, damit die gymnasiale Sekundarstufe 1 in der Junker-Hansen-Stadt weiter bestehen bleibt.
„Wenn wir eine Gesamtschule bleiben wollen, dann geht das nur als integrierte Gesamtschule“, sagte Boß während einer Informationsveranstaltung zum Thema IGS in der Cafeteria der Gesamtschule.
Jürgen Reuse und Hubert Sauer, Schulleiter der integrierten Gesamtschule Neukirchen, erörterten vor rund 50 Interessierten das Modell der IGS anhand von Praxisbeispielen.
Die Steinwaldschule Neukirchen, seit 1972 IGS und die einzige ihrer Art im Schwalm-Eder-Kreis, erfreut sich trotz ihrer Kreisrandlage großer Beliebtheit. Rund 800 Schüler, 200 davon aus Neukirchen, besuchen die gleichgeschaltete Schulform der Steinwaldschule.
Hauptschüler, Realschüler und Gymnasiasten existieren dort nur in den Köpfen der Lehrer. Alle Schüler einer Jahrgangsstufe werden im so genannten Kernunterricht gemeinsam unterrichtet. Im Fachunterricht, den klassischen Hauptfächern Deutsch Mathematik, Englisch, findet eine Unterteilung in Kurse statt. Ein
Wechsel zwischen den Kursen ist von der jeweiligen Leistung des Schülers abhängig. Schulnoten im herkömmlichen Sinne und „Sitzenbleiben“ gibt es nicht. Ein „richtiges Zeugnis“ wird erst beim Verlassen der Schule ausgehändigt.
Der Abschluss „errechnet“ sich aus den Kursen und der Leistung während der Schulzeit. „Zwei Kurse höchsten Niveaus im Fachunterricht und mindestens mittelmäßige Leistungen in den Kernfächern berechtigen zum Besuch der elften Klasse“, erläuterte Sauer.
„Das ist die ideale Schulform für Spätzünder und Kinder mit partiellen Schwächen“, sagte Reuse.
In einer IGS sei es möglich, die Schüler ihren Leistungen und Interessen entsprechend zu fördern. „Trotzdem ist das keine Kuschelpädagogik“, betonte Reuse. Die Kriterien müssten ebenso erfüllt werden wie bei anderen Schulformen auch. Die Eltern würden mehr in die Schulkarriere ihres Kindes einbezogen und die Lehrer nachhaltiger gefordert. Eine der Qualifikation entsprechende Schülerbeurteilung mache andere Unterrichtsmethoden und eine intensivere Vorbereitung des Lehrers notwendig, erläuterte Reuse. Boß wies darauf hin, dass es während der „IGS-Abstimmung“ der Lehrerkonferenz keine Gegenstimmen gegeben habe. Unter dem Kollegium gebe es eine große Bereitschaft, sich fortzubilden, versicherte der Schulleiter.
Die Mischung von Haupt-, Realschülern und Gymnasiasten sieht Reuse als Vorteil. Es sei eine Anregung für Problemkinder und schwächere Schüler. Bessere Schüler dienten als Mentor, und eine Bündelung von schwächeren Schülern, wie beispielsweise in Hauptschulklassen, würde vermieden.
„Gute Schüler werden in einer IGS nicht benachteiligt“, versicherte Reuse. Seine Erfahrungen hätten gezeigt, dass sich diese nach dem Wechsel in die Oberstufe durch mehr Selbstständigkeit auszeichneten. Natürlich gebe es auch „Looser“, aber diese wären auf dem „normalen“ Weg auch auf der Strecke geblieben.