Krapp appelliert an das „Wir-Gefühl

Neustädter Bürgerversammlung fand am Dienstagabend im Bürgerhaus Momberg statt
Zwar war die Neustädter Bürgerversammlung in Momberg mit 45 Gästen gut besucht. Doch zum Bedauern von Versammlungsleiter Norbert Krapp hatten abgesehen von Mandatsträgern aus weiteren Stadtteilen nur Momberger den Weg ins Bürgerhaus gefunden.
von Kai Erdel
Momberg. „Offensichtlich haben die meisten Bürger die Einladung falsch verstanden,“ mutmaßte Krapp. Da einer der Tagesordnungspunkte die Dorferneuerung Momberg war, wären wohl viele davon ausgegangen, es handle sich um eine Momberger Veranstaltung.
Zu Beginn hielt Bürgermeister Thomas Groll über die Finanzlage der Stadt einen halbstündigen und überaus nachdenklichen Vortrag. Neben großen Verlusten auf der Einnahmeseite – hier fehlen in 2010 1,24 Millionen Euro im Vergleich zu 2009 – komme es zu neuen Belastungen, die von der Stadt getragen werden müssten.
Groll nannte in diesem Zusammenhang die Tariferhöhung für die Erzieherinnen, die allein mit Mehrkosten in Höhe von 60 000 Euro zu Buche schlage.
Der notwendige Neubau von Kindergarten und Büchereianbau sei mit 1,75 Millionen Euro veranschlagt. Man rechne mit 750 000,- Euro an Zuschüssen, so blieben eine Million
Euro, die die Stadt aufbringen müsse. Insgesamt rechnet Thomas Groll mit einer Nettoneuverschuldung von 1,1 Millionen Euro für 2010.
Getätigt würden nur notwendige Ausgaben. „Wir gönnen uns keinen Luxus, sondern gehen nach der Devise vor, was notwendig ist,“ beschrieb Groll das Ausgabeverhalten der Stadt.
Für Einsparungen sah er wenig Möglichkeiten, und Gebühren könne man auch nicht unendlich erhöhen.
Für erste Aufregung unter den Besuchern sorgte die Ankündigung Grolls, dass man prüfen wolle, ob es sinnvoll sei, dass der Zweckverband Mittelhessische Wasserwerke auch in den Stadtteilen, wie bereits in der Kernstadt, die Wasserversorgung übernimmt. Diese Aufregung konnte halbwegs beruhigt werden, da sowohl Groll als auch Krapp zusicherten, dass die Prüfung vollkommen ergebnisoffen sei. Sollte die Stadt Neustadt die Wasserversorgung für die Stadtteile behalten, so sei es nicht mehr möglich, mit Investitionskosten die ganze Stadt zu belasten.
Für diesen Fall sah Groll dann Gebührenerhöhungen in den Stadtteilen als möglich an.
Als Nächstes stellte der Bürgermeister das Stadtentwicklungsgutachten vor. Neben einer Bestandsaufnahme beinhalte dieses Visionen, die „nicht eins zu eins umsetzbar sind, denn dazu braucht man Geld.“
Im Bereich Bauen ginge in Zukunft Innenentwicklung vor Außenentwicklung. Der Schaffung von neuen Baugebieten erteilte er, angesichts von 150 Leerständen, eine Absage. Ziel der Entwicklung sei es, die Wohnstadtqualitäten der Stadt zu stärken.
Im Vorfeld auf das Neustadt-Treffen 2011 äußerte Norbert Krapp die Hoffnung, dass sich die Stadtteile verstärkt einbringen. Mit „wir sind alle die Stadt Neustadt“ versuchte er an das „Wir-Gefühl“ der Anwesenden zu appellieren.
Nachdem anschließend Groll die bisherigen Maßnahmen der Dorferneuerung aufgezählt hatte, kam es zum letzten Tagesordnungspunkt – die Zukunft des alten Backhauses. Es zeigte sich, dass Bezirkskonservator Dr. Bernhardt Buchstab vom Landesamt für Denkmalpflege mit seinem kategorischen Ablehnen eines Abrisses noch immer die Gemüter der Momberger erzürnt. So sei sein Auftreten „diktatorisch“ gewesen, man fühle sich „verarscht“ und warf ihm Arroganz vor.
Der überwiegende Teil der Anwesenden plädierte für einen Abriss des Backhauses und eine Verwendung der für das Backhaus vorgesehenen Mittel in Höhe von 179 000 Euro für andere Maßnahmen der Dorferneuerung.
Einzig Ortsvorsteher Artur Groß gab zu bedenken, dass das Gebäude in der Tat einzigartig sei. Ein Abriss sei nicht rückgängig zu machen, und „wenn das Backhaus abgerissen ist, dann haben wir statt des Gebäudes dort ein Loch“.
Daher plädierte er für eine Sicherung des Gebäudes, um es kommenden Generationen zu erhalten.
Bei einer von Horst Helfenritter geforderten Abstimmung unter den Anwesenden fand Groß allerdings nur einen weiteren Anhänger für seine Meinung. Demgegenüber sprachen sich 26 Anwesende für den Abriss aus.
Groll forderte von dem Dorferneuerungsbeirat eine eindeutige Stellungnahme. Wolle dieser einen Abriss, so werde er sich für den Abriss einsetzen. Wolle dieser den Erhalt des Gebäudes, so werde er auch dieses umsetzen.
Einzig einer Nutzung als Gemeinschaftsraum unter dem Dach der Stadt erteilte er aus Geldmangel eine Absage. „Wer eine Nutzung des Gebäudes will, der soll auch einen Förderverein als Träger auf den Weg bringen,“ war dazu seine eindeutige Aussage.