Land gibt Starthilfe für neue Konzepte

Regierung entscheidet nach einem Wettbewerb über die Aufnahme in das neue EU-Förderprogramm

Marburg. Künftig sollen alle Städte und Gemein­den im Kreis die Chance auf EU-Gelder für die Regionalentwicklung ha­ben.

von Michael Rinde

Beinahe im „Eilverfahren“ ent­standen seit dem vergangenen September im Kreis gleich zwei neue Regionen, also Zu­sammenschlüsse von Städten und Gemeinden: die Regionen Marburger Land (mit den Städ­ten und Gemeinden Amöneburg, Ebsdorfergrund, Weimar, Fronhausen und den ländlichen Marburger Stadtteilen) und Ostkreis (mit den Städten Stadtallendorf und Neustadt).

Diese Zusammenschlüsse wa­ren nötig, wenn auch diese sie­ben Kommunen in Zukunft EU-Fördergelder für ihre Regio­nalentwicklung erhalten wol­len. Denn die Europäische Uni­on und das Land Hessen, starten mit einem neuen Programm. Auf „Leader Plus“ folgt ab die­sem Jahr ELER (die OP berich­tete, siehe „Hintergrund“). Lea­der Plus hatte aus Sicht von Landrat Robert Fischbach vor allem eine Schwäche: Nur die Städte und Gemeinden im Kreis kamen in den Genuss der EU-Gelder, die entweder Mitglied der Entwicklungsgruppe Region Burgwald oder beim Verein Region Lahn-Dill-Berg­land waren.

Vor diesem Hintergrund kam es unter Moderation von Fisch­bach im September zu Ge­sprächen über die Bildung neu­er lokaler Zusammenschlüsse, im November und Dezember fassten die Parlamente der Städte und Gemeinden bereits entsprechende Beschlüsse.

In den nächsten Monaten er­stellen die jungen Regionen Marburger Land und Ostkreis mit Hilfe von Fachbüros Ent­wicklungskonzepte. Der Verein Region Lahn-Dill-Bergland und die Entwicklungsgruppe Regi­on Burgwald schreiben ihre schon vorhandenen Konzepte weiter fort. Gestern übergab Landrat Robert Fischbach an drei der vier Bündnisse Bewil­ligungsbescheide. Denn das Land Hessen fördert die Kon­zepterstellung mit einem 70-prozentigen Zuschuss. Die Re­gion Burgwald fehlte beim Ter­min gestern, sie erhält den För­derbescheid vom Landkreis Waldeck-Frankenberg, wo der Verein beheimatet ist.

Fischbach sprach gestern von „einem guten Ansatz, um För­dermittel der EU in den Kreis zu holen.“ Ihm ist es als Land­rat wichtig, dass künftig keiner Stadt oder Gemeinde der Zu­griff auf die EU-Gelder mehr verwehrt bleibt.

Das Land Hessen entscheidet im zweiten Halbjahr – nach ei­nem landesweiten „Wettbe­werb der Regionen“ – darüber, welche Zusammenschlüsse am Ende in das Programm ELER aufgenommen werden.

EU will weg vom „Kirchturmdenken“

Von einer gegenseitigen Kon­kurrenz wollten Vertreter der drei Bündnisse aus dem Kreis gestern aber nichts wissen. „Wir sind zuversichtlich, dass alle vier Regionen in das Pro­gramm aufgenommen wer­den“, unterstrich Andreas Schulz, Bürgermeister der Ge­meinde Ebsdorfergrund. Per­spektivisch sei auch die Bildung einer großen gemeinsa­men Region denkbar.

Fischbach hatte die Euphorie zuvor etwas gedämpft und an­gesichts des ausstehenden lan­desweiten Wettbewerbs betont, dass eine Aufnahme aller Re­gionen „noch nicht ganz sicher ist.“

Die Europäische Union förde­re bewusst das Denken in Re­gionen und die interkommunale Zusammenarbeit, um Konkur­renz gehe es dabei nicht, beton­te auch Ernst-Ludwig-Wagner, Regionalmanager des Verein Region Lahn-Dill-Bergland.

In Sachen Entwicklungskon­zept hat der Verein bereits eini­ge Erfahrungen. Bei der Fort­schreibung werde beispielswei­se der demographische Wandel, der prognostizierte Rückgang der Bevölkerung, im Vorder­grund stehen, kündigte Bernd Schmidt, Bürgermeister der Gemeinde Dautphetal, gestern an. Bei der Tourismusförde­rung sei die Region bereits gut aufgestellt. In Kürze erfolge die Ausweisung eines Wander­wegs von Marburg bis nach Dil­lenburg. Manfred Hoim, Bür­germeister der Stadt Neustadt, hob hervor, dass die beiden Ost­kreis-Städte andere Schwer­punkte setzen wollen. Touris­mus spiele dabei keine große Rolle. „Auch bei uns wird die Bevölkerungsentwicklung im Vordergrund stehen.“

Förderung erhält neue Struktur

Das EU-Programm Leader Plus ist weitgehend abgeschlossen, die letzten Bewilligungsbe­scheide versandt. Genehmigte Fördergelder erhalten die be­teiligten Regionen allerdings noch bis Mitte nächsten Jahres. ELER ist Nachfolger dieses EU-Programmes, aus dem al­lein im Kreis Marburg-Bieden­kopf bis zum vergangenen Jahr (Stand August) mehr als 55 Pro­jekte mitfinanziert wurden. Darunter waren beispielsweise Projekte wie die Sanierung des Rimbergturmes in Dautphetal oder die Ausweisung neuer Nordic-Walking-Pfade oder Wanderwege. Die Bezeichnung ELER steht dabei für „Europäischer Landwirt­schaftsfond für die Entwick­lung des ländlichen Raumes“. Ganz unterschiedliche Förder­gebiete werden unter dem Dach dieses Programmes zusammengefasst. Sie reichen von der klassischen Agrar- bis zur Tourismusförderung.

Das neue Förderprogramm läuft bis zum Jahr 2013. Grund­lage ist ein Landesprogramm, das die EU-Verwaltung in Brüs­sel zuvor genehmigt hat. Wie­ viel Geld den vier Regionen im Kreis zukünftig zur Verfügung stehen könnte, ist noch nicht abschätzbar. Wie beim Pro­gramm Leader Plus ist die Kreisverwaltung für die forma­le Bearbeitung der Förderan­träge zuständig.