Neustädter diskutieren über das „Wir-Gefühl”

Stadtverordnete entscheiden sich für Einrichtung eines Ortsbeirats Ein Ziel ist: den Zusammenhalt fördern
Die Diskussion über die Einrichtung eines Ortsbeirats in Neustadts Kernstadt verlief äußerst abwechslungsreich. CDU-Fraktionsvorsitzender Franz-W. Michels zitierte gar Ex-Bundeskanzler Willy Brandt (SPD).
von Florian Lerchbacher
Neustadt. „Mehr Demokratie wagen“, lautete der Appell von Franz-W. Michels – ein Zitat, das ursprünglich von Altkanzler Willy Brandt (SPD) stammt. Der CDU-Vorsitzende untermalte damit einen gemeinsamen Antrag der FWG und seiner Fraktion, in dem es um die Einrichtung eines Ortsbeirates in der Kernstadt ging.
„Was spricht dagegen?“, fragte Michels. Die Kosten von 11 000 Euro seien überschaubar. Die eine Hälfte solle durch eine Verkleinerung der Festkommission kompensiert werden. Die andere Hälfte könne die Stadt durch die Förderung von Eigenleistung wieder hereinholen, glaubt er. Ein Ortsvorsteher und die Mitglieder des Ortsbeirates könnten schließlich ganz anders auf die Menschen zugehen und
zu Eigenleistung animieren – als Beispiele nannte Michels das große Engagement der Bewohner der Stadtteile für ihre Heimat. Ein Beirat werde die Identifikation der Menschen mit der Kernstadt fördern.
Gerhard Gatzweiler, der Vorsitzende von Neustadts SPD, sprach sich gegen den Antrag aus – verzichtete in seiner Rede allerdings darauf, einen CDU-Politiker zu zitieren. Er glaube nicht daran, dass ein Ortsbeirat in der Kernstadt erfolgversprechend sei. Er verspüre bei den Bürgern einen Willen, sich zu engagieren – allerdings auf eine andere Art. Sie wollten ein Projekt unterstützen und nicht an verschiedenen Stellen tätig sein: „Dass dies gut funktioniert, sieht man zum Beispiel am Arbeitskreis ,Neustadt wird grün‘ und in der Seniorenarbeit.“ Zum anderen seien 11 000 Euro in Zeiten leerer Kassen eine Menge Geld sei.
Gatzweiler lobte den Einsatz des Bürgermeisters bei der Generierung von Freiwilligen, bezweifelte aber auch, dass sich die Bürger in dem Maße zu Eigenleistungen motivieren ließen, wie es in den Stadtteilen der Fall ist: „In den Ortsteilen ist das gewachsen.“ Noch dazu gebe es dort ein „Wir-Gefühl“, das in der Kernstadt nicht existiere.
„Das eine tun, das andere nicht lassen“, entgegnete Bürgermeister Thomas Groll und sprach sich für „neue Wege“ aus. Der Ortsbeirat sei eine Ergänzung zu den Arbeitskreisen,
Ein Platz ist noch frei und auch das vierte Wasser steht bereit. Im kommenden Jahr erhalten die Ortsvorsteher Artur Groß (von links, Momberg), Karl Stehl (Speckswinkel) und Karlheinz Kurz (Mengsberg) Verstärkung. Dann bekommt auch die Kernstadt einen Ortsvorsteher. Foto: Lerchbacher zudem entstehe so eine Kontinuität bei den Ansprechpartnern. Aber auch dem „Wir-Gefühl“ widmete er sich: „Herr Michels will das Wir-Gefühl wachsen lassen, Herr Gatzweiler sagt, es gibt gar keins. Ich glaube, es leidet, weil wir keinen gemeinsamen Identifikationspunkt haben – höchstens die Kirmes.“ Ein Ortsbeirat als zusätzliche Instanz könnte die Situation ändern: „Zwei können mehr als einer erreichen. Den Versuch ist es wert.“
Klaus Peter Faubel (Republikaner) kommentierte: „Mehr Gremien bedeuten nicht mehr Effizienz. Aber sie können auch mehr Ideen reinspülen.“
Letztlich sprachen sich CDU, FWG und Republikaner für den Antrag aus bei Gegenstimmen der SPD. Mithin wird zum 1. April des kommenden Jahres ein sieben Personen zählender Ortsbeirat für Neustadts Kernstadt eingeführt. H Groll vermeldete, dass Hessens Innenminister Volker Bouffier als Gastredner zu den Feierlichkeiten anlässlich des Jubiläums 50 Jahre Garnisonsstadt nach Neustadt kommt.